Tierarzt
Allgemeines
Tierärzte gelten in erster Linie als Helfer der Tiere. In ihre Tätigkeit, die weit über die Behandlung und Heilung hinausgeht, werden grosse Erwartungen und Hoffnungen gesetzt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sie mit Fachwissen und Engagement für den bestmöglichen Schutz der Tiere zu sorgen. Vor allem sind Tierärzte aber auch wichtige Berater in Tierschutzfragen, indem sie ihre Kunden in den Bereichen Ernährung, Haltung, Zucht und Pflege der Tiere kompetent und unabhängig aufklären.
Das Verhältnis zwischen Tierarzt und Tierhalter birgt aber auch Konfliktpotential, da die Erwartungen des Tierhalters nicht immer erfüllt und die Arbeitsleistung des Tierarztes von Laien nur schwer objektiv beurteilt werden kann.
Rechtliche Erfassung
Zwischen Tierhalter und Tierarzt besteht in der Regel ein Auftragsverhältnis im Sinne von Art. 394ff. OR, bei dem der Tierarzt die vereinbarte und sorgfältige Behandlung des Tieres schuldet (jedoch keinen Heilungserfolg), und der Tierhalter ihn für diese Leistung entschädigt. Den Tierarzt trifft eine Sorgfaltspflicht (Art. 398 Abs. 2 OR), was bedeutet, dass er das Tier nach bestem Wissen und Gewissen im Hinblick auf die Heilung behandeln muss. Zudem hat er seinen Klienten gegenüber auch eine Treuepflicht (Art. 398 Abs. 2 OR), die eine wahrheitsgetreue Information sowie sachliche Beratung umfasst und jede Behandlung untersagt, die der Tierarzt aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht korrekt ausführen kann. Zur Treuepflicht gehört auch das Ausstellen einer transparenten Rechnung, über deren Einzelheiten der Tierarzt den Klienten aufklären muss. Darüber hinaus hat er ihm auch Einsicht in die Krankengeschichte zu gewähren. Verstösst er gegen die Sorgfaltspflicht, entfällt nicht nur (zumindest teilweise) sein Honoraranspruch, sondern muss er allenfalls auch Schadenersatz – einschliesslich des sogenannten Affektionswerts – zahlen.
Vereinbaren Klient und Tierarzt ausnahmsweise keine eigentliche Behandlung, sondern lediglich eine bestimmte Tätigkeit wie beispielsweise das Erstellen von Röntgenbildern ohne anschliessende Beurteilung beziehungsweise Besprechung derselben, liegt ein Werkvertrag im Sinne von Art. 363ff. OR vor. Hier schuldet der Tierarzt dem Tierhalter im Gegensatz zum Auftrag einen "Erfolg" (also beispielsweise ein korrekt erstelltes Röntgenbild), und er kann nur dann eine Vergütung verlangen, wenn der Erfolg auch eintritt. Unabhängig von der Form des Vertrags gilt dieser als abgeschlossen, wenn sich die Parteien über ein Tätigwerden des Tierarztes geeinigt haben. Eine gesetzliche Pflicht, einen Behandlungsauftrag anzunehmen, haben Tierärzte allerdings nicht – auch nicht bei einem Notfall. Lediglich die Standesordnung der GST schreibt für deren Mitglieder ein Tätigwerden in Notsituationen zwingend vor.
Tierhalter können sich auf die Standesordnung der GST berufen und sich mit der sogenannten Kundenbeschwerde zur Wehr setzen, wenn sie der Meinung sind, ihr Tier sei nicht fachgerecht behandelt worden, oder wenn sie mit der Höhe der Rechnung nicht einverstanden sind. Mit einer (schriftlichen und ausreichend begründeten) Beschwerde kann man sich an die zuständige Regionalsektion wenden. Ist ein Tierarzt nicht Mitglied einer Regionalsektion, findet das Verfahren direkt vor der Ombudsstelle der GST statt.
Schweizer Tierärzte unterstehen keiner strafrechtlichen Schweigepflicht. Aufgrund der berufsethischen Standesordnung der GST ist ein Tierarzt aber dennoch zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet. Bei Verletzungen des Schweigegebots droht auch hier ein GST-internes Verfahren. Tierärzte müssen zudem natürlich das Tierschutzgesetz beachten. Die Strafbestimmungen über Tierquälereien und andere Tierschutzwidrigkeiten (Art. 26ff. TSchG) gelten auch für sie, so beispielsweise wenn Eingriffe ohne die vorgeschriebene Betäubung vorgenommen und Tieren dadurch erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Hat der Tierarzt ein Tier in seine Obhut genommen und den Behandlungsauftrag akzeptiert, fällt ihm ausserdem eine sogenannte Garantenpflicht zu. Dies bedeutet, dass er alles zu unternehmen hat, um das Wohlergehen des Tieres zu gewährleisten. Bei Kunstfehlern kann er daher allenfalls auch wegen fahrlässiger Tierquälerei oder einer anderen Tierschutzwidrigkeit zur Rechenschaft gezogen werden.
Strafrechtliche Konsequenzen haben aber beispielsweise auch das Durchführen von Tierversuchen ohne Bewilligung, das Verbreiten von Tierseuchen oder das Praktizieren ohne entsprechende kantonale Erlaubnis. Ausserdem kann der Tierarzt durch die Abgabe ungeeigneter bzw. falsch dosierter oder sogar gefährlicher Medikamente oder Impfstoffe gegen die Tierarzneimittelverordnung (TAMV) verstossen oder mit einem falschen Eintrag im Heimtierpass oder in anderen Papieren womöglich Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251ff. StGB begehen. Der Tierarzt ist grundsätzlich auch dafür verantwortlich, dass während der Behandlung des Tieres niemand zu Schaden kommt. Wird er oder sein Hilfspersonal gebissen oder kommt er anderweitig durch das Tier zu Schaden, muss er hierfür in der Regel selber aufkommen. Dem Auftraggeber kommt jedoch die Nebenpflicht zu, alles Zumutbare zu unternehmen, um den Beauftragten vor Schaden zu bewahren. Teilt er dem Tierarzt beispielsweise bekannte Verhaltensprobleme seines Tieres nicht mit oder verschweigt er ihm diese auf Nachfrage sogar, haftet er für entsprechende Verletzungen.
Von Bedeutung ist im Weiteren die Frage der Beschränkung der Haftung durch den Tierarzt. Im Geschäftsleben werden vertragliche Rechte und Pflichten häufig durch sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) geregelt. Darunter versteht man Vertragspunkte, die eine Partei vor Vertragsschluss einseitig aufstellt und standardmässig für viele gleichartige Verträge anwendet. Sie können im Rahmen der Einhaltung zwingenden Rechts inhaltlich beliebig ausgestaltet werden. Gültigkeit erlangen die AGB erst, wenn ihnen die andere Partei zustimmt, ansonsten kommen die Regeln des OR zur Anwendung. Eine Haftungsbegrenzung durch AGB ist erlaubt, solange keine Partei widerrechtlich benachteiligt wird. Nicht möglich ist ein Ausschluss der Haftung für absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführte Schäden (Art. 100 Abs. 1 OR).