Betäuben
Allgemeines
Gemäss der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung ist beim Umgang mit Wirbeltieren, Panzerkrebsen (beispielsweise Hummer oder Langusten) und Kopffüssern (hauptsächlich Tintenfische) die Zufügung ungerechtfertigter Schmerzen, Leiden, Schäden und Ängste untersagt. Dies gilt auch bei der Tötung von Tieren und der Durchführung schmerzhafter Eingriffe. Entsprechend schreibt Art. 178 Abs. 1 TSchV vor, dass sämtliche Wirbeltiere nur unter Betäubung getötet werden dürfen, sofern kein Notfall vorliegt, bei dem eine solche nicht möglich ist.
Zuwiderhandlungen gegen die Betäubungspflicht bei der Tötung, wie etwa
eine fehlende, ungenügende oder falsche Betäubung der Tiere, erfüllen
den Straftatbestand des vorschriftswidrigen Schlachtens bzw. Tötens
(Art. 177ff. TSchV i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. f bzw. lit. g TSchG).
Da eine fehlerhafte Betäubung jedoch in aller Regel mit erheblichen Schmerzen und Leiden für die betroffenen Tiere einhergeht, ist in entsprechenden Fällen von einer Misshandlung nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG bzw. von einer qualvollen Tötung nach Art. 26 Abs. 1 lit. b TSchG auszugehen.
Ausnahmen von der Betäubungspflicht
Von der Betäubung kann zunächst abgesehen werden, wenn dies aufgrund einer Notsituation nicht möglich ist. Aber auch in diesem Fall muss alles Notwendige unternommen werden, um Schmerzen, Leiden, Schäden und Ängste auf ein Minimum zu reduzieren.
Ausnahmen von der Betäubungspflicht gelten zudem für die Tötung von
Wirbeltieren bei der Jagd und im Rahmen zulässiger
Schädlingsbekämpfungsmassnahmen sowie für Fälle, in denen die angewendete Tötungsmethode das Tier unverzüglich und ohne Schmerzen oder Leiden in einen Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt (Art. 178a Abs. 1 lit. a-c TSchV) wie dies etwa bei einer fachgerechten Dekapitation (Enthauptung) oder bei einem gezielten Todesschuss der Fall sein kann.
Die Tötung von Fröschen ist zudem ohne Betäubung zulässig, wenn die Frösche bei der Schlachtung in gekühltem Zustand geköpft werden und der Kopf sofort vernichtet wird (Art. 178a Abs. 2 TSchV). Die zulässigen Schädlingsbekämpfungsmassnahmen nach Art. 178a Abs. 1 lit. b TSchV werden vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf der Grundlage von Art. 179 TSchV im Einzelfall geprüft.
Schlachttiere
Für Schlachttiere ist die Betäubungspflicht vor Beginn des Blutentzugs zusätzlich in Art. 21 Abs. 1 TSchG festgehalten. Die Bestimmung beschränkt sich auf Säugetiere, wird in Art. 178 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 4 TSchV jedoch jedoch auf sämtliche Wirbeltiere und Panzerkrebse ausgeweitet. Für Geflügel behält Art. 179b Abs. 4 TSchV im Rahmen ritueller Schlachtungen allerdings eine Ausnahme vor. Die Art. 179a ff. TSchV regeln die zulässigen Betäubungsmethoden für verschiedenen Tierarten sowie die qualitativen Anforderungen an die Betäubung, an Betäubungsgeräte und -anlagen und an die Entblutung. Die spezifischen technischen Vorgaben für die unterschiedlichen Betäubungsverfahren sind in den Anhängen 1-6 VTSchS im Detail geregelt.
Die zulässigen Betäubungsmethoden werden wissenschaftlich laufend überprüft und geben immer wieder zu Kritik Anlass. Im Rahmen der Schlachtung verbreitet, aus Tierschutzsicht aber klar ungenügend ist etwa die Verwendung von Kohlenstoffdioxid (CO2), das bei vielen Tierarten und in Abhängigkeit verschiedener Faktoren Schmerzen, Atemnot und Panik auslösen kann. Mangels ökonomisch zumutbarer Alternativen für die Betäubung und Tötung der hohen Anzahl von Schlachttieren wird die umstrittene Betäubungsmethode aktuell weiterhin geduldet.
Schmerzverursachende Eingriffe
Auch bei der Vornahme schmerzverursachender Eingriffe besteht eine generelle Betäubungspflicht (Art. 16 TSchG). So dürfen entsprechende Handlungen nur unter allgemeiner oder örtlicher Schmerzausschaltung vorgenommen werden. Ausdrücklich vorbehalten sind jedoch die Bestimmungen über Tierversuche (Art. 17ff. TSchG). In Art. 15 Abs. 1 TSchV wird festgehalten, dass eine Schmerzausschaltung nicht erforderlich ist, wenn sie nach tierärztlichem Urteil unzweckmässig oder aus medizinischen Gründen nicht durchführbar erscheint.
Abs. 2 desselben Artikels enthält zudem eine Liste von Eingriffen, die von fachkundigen Personen auch ohne Betäubung durchgeführt werden dürfen.