TIR erfreut: Zürcher Kantonsrat lehnt Einschränkung des Rekurs- und Beschwerderechts der Tierversuchskommission ab
Im Kanton Zürich haben – schweizweit einzigartig – sowohl die Tierversuchskommission als Gesamtgremium als auch drei gemeinsam handelnde Kommissionsmitglieder die Möglichkeit, Bewilligungsentscheide im Tierversuchsbereich auf dem Rechtsweg anzufechten. An seiner gestrigen Sitzung hat der Kantonsrat eine parlamentarische Initiative, mit der die Abschaffung des Rekurs- und Beschwerderechts dreier gemeinsam handelnder Mitglieder gefordert wurde, deutlich abgelehnt. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) begrüsst den Entscheid des Kantonsrats, da die Anfechtungsmöglichkeit der Kommissionsminderheit ein wichtiges Gegengewicht zur nummerischen Untervertretung der Tierschutzinteressen in der Kommission darstellt.
25.01.2022
Im Kanton Zürich besteht die Tierversuchskommission aus elf Mitgliedern. Die Interessen der Forschung sind dabei jedoch deutlich stärker repräsentiert als jene des Tierschutzes. So stehen acht Mitgliedern, die an der Universität, der ETH oder anderen forschungsnahen Institutionen tätig sind, drei Vertreter von Tierschutzorganisationen gegenüber, die auf Vorschlag des Vereins Koordination Kantonaler Tierschutz Zürich (KKT) – dem der Zürcher Tierschutz, Animalfree Research und die TIR angehören – vom Regierungsrat gewählt werden. Diese Zusammensetzung der Kommission hat zur Folge, dass die Forschungsvertreter die Tierschutzvertreter bei Abstimmungen stets überstimmen können, was in der Praxis auch regelmässig vorkommt, wie nicht zuletzt auch die verschwindend kleine Zahl abgelehnter Versuchsanträge belegt.
Das seit 1992 in der kantonalen Gesetzgebung verankerte Rekurs- und Beschwerderecht dreier gemeinsam handelnder Kommissionsmitglieder stellt zumindest bis zu einem gewissen Grad ein Gegengewicht zu dieser nummerischen Unterlegenheit der Tierschutzvertreter dar, da es ihnen die Möglichkeit bietet, besonders fragwürdige Bewilligungsentscheide rechtlich anzufechten. Im Jahr 2018 reichten die Kantonsräte Claudio Schmid (SVP, Bülach), Benjamin Fischer (SVP, Volketswil) und Hans Egli (EDU, Steinmaur) jedoch eine parlamentarische Initiative ein, mit der sie verlangten, dass das Rekurs- und Beschwerderecht künftig nur noch der Kommission als Gesamtgremium zustehen solle (KR-Nr. 230/2018: Bewilligungsverfahren in Tierversuchen).
Begründet wurde die Forderung damit, dass die Tierschutzvertreter ihr
Rekurs- und Beschwerderecht dazu nutzen könnten, wichtige
Forschungsprojekte durch aufwendige und kostspielige Verfahren über
Jahre hinweg zu blockieren, wie dies etwa im Falle eines Versuchs mit
Primaten im Bereich der Hirnforschung auch tatsächlich geschehen sei
(ausführliche Informationen zu diesem Fall finden Sie hier).
Nachdem
an der Anhörung zur parlamentarischen Initiative vor der vorberatenden
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Kantonsrats (KSSG)
auch je eine Vertreterin des Zürcher Tierschutz und der TIR zum Vorstoss
Stellung nehmen konnten, beschloss die KSSG einstimmig, diesen zur
Ablehnung zu empfehlen. An seiner gestrigen Sitzung ist der Kantonsrat
dieser Empfehlung nun mit 159 Ja- zu fünf Neinstimmen gefolgt. Er sah es
als erwiesen an, dass die Tierschutzvertreter in der
Tierversuchskommission von ihrem Rekurs- und Beschwerderecht nicht in
rechtsmissbräuchlicher Weise Gebrauch machen, sondern bei der Anfechtung
von Bewilligungsentscheiden jeweils das erforderliche Augenmass walten
lassen.
Die TIR ist erfreut über das deutliche Votum des Kantonsrats. Die Abschaffung des Rekurs- und Beschwerderechts dreier gemeinsam handelnder Kommissionsmitglieder hätte eine massive Schwächung der Tierschutzinteressen im Tierversuchsbewilligungsverfahren bedeutet. Der Entscheid darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Tierschutzvertreter in der Tierversuchskommission gegenüber den Forschungsvertretern nach wie vor deutlich in der Unterzahl sind, was angesichts der verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit von Forschung und Tierschutz höchst problematisch ist. Die TIR wird sich deshalb auch weiterhin für Verbesserungen in der Bewilligungspraxis stark machen.