TIR unterstützt Aktion "Ban Live Exports"
Am weltweiten Aktionstag "Ban Live Exports" ("Stoppt den Lebendexport") machen Tierschutzorganisationen aus aller Welt auf das enorme Leid von Nutztieren auf Langzeittransporten aufmerksam. Auch die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) unterstützt die Forderung nach einem Ende von langen internationalen Transporten von lebenden Tieren. Feststeckende Tiertransporte aufgrund von Corona-bedingten Grenzschliessungen sowie die im Frühjahr 2021 in Spanien durgeführte Notschlachtung bzw. Entsorgung von tausenden Kälbern, die monatelang auf zwei Schiffen ohne Versorgung ausharren mussten, machen die Dringlichkeit eines Verbots solcher Transporte nochmals sehr deutlich.
14.06.2021
In europäischen Ländern gelten zwar bestimmte Vorschriften zum Schutz von "Schlacht-" und "Masttieren" während des Transports. So ist etwa regelmässiges Tränken und Füttern geboten und den Tieren müssen Erholungspausen gewährt werden. Recherchen von Tierschutzorganisationen wie zum Beispiel Animals' Angels zeigen aber regelmässig auf, wie solche Vorschriften in vielen Fällen systematisch verletzt werden: Tiere leiden auf den langen Transportwegen an Verletzungen und Erschöpfung, Durst, Hitze- und/oder Kältestress aufgrund von Temperaturschwankungen auf ihren langen Reisen. Allein in der EU werden jeden Tag etwa 3.8 Millionen Tiere länger als acht Stunden transportiert. Zudem werden jedes Jahr Millionen Tiere interkontinental befördert, was bedeutet, dass sie nach bereits oft tagelangem Landtransport auf Schiffe umgeladen und weiterverfrachtet werden, zum Beispiel von der europäischen Aussengrenze nach Nordafrika oder in den mittleren Osten.
Oftmals überleben die Tiere die lange Reise aufgrund der Strapazen nicht. Nebst Verkehrsunfällen und gekenterten Schiffen sind auch Reiseverzögerungen mit verheerenden Folgen keine Seltenheit: Zwei Schiffe mit 800 Kälbern bzw. 1800 Rindern an Bord, die im Dezember 2021 in Spanien gestartet waren, wurden aufgrund des Verdachts auf Blauzungenkrankheit von den Bestimmungsländern Türkei und Libanon abgewiesen. Nach dreimonatigem Ausharren auf den Schiffen ohne jegliche medizinische Versorgung wurden die überlebenden Tiere schliesslich in Spanien notgeschlachtet. Zahlreiche Rinder starben aufgrund von Verletzungen, Erkrankungen und Erschöpfung bereits an Bord der Schiffe. Sodann mussten anlässlich der fast eine Woche dauernden Suezkanal-Blockade durch ein gestrandetes Containerschiff im März 2021 auch lebende Tiere auf gestauten Schiffen tagelang ausharren (vgl. SRF-Bericht vom 30. März 2021).
In der Theorie müssen die in der EU geltenden Tierschutznormen auch auf dem Weitertransport in Nicht-EU-Länder eingehalten werden. Weil eine Durchsetzung der Vorschriften aber selbst bei seriöser Kontrolle nicht gewährleistet werden kann, bleiben die entsprechenden Anforderungen spätestens dann toter Buchstabe, wenn die Tiere EU-Territorium verlassen haben. Überdies sind die Schlachtmethoden in vielen Zielländern als in höchstem Masse tierschutzwidrig zu bezeichnen.
Obwohl oftmals offizielle Informationen über die Existenz, Qualität und Kapazität von Kontrollstellen in den Importländern fehlen, erteilen die zuständigen Behörden der europäischen Ursprungsländer trotzdem routinemässig Exportbewilligungen. In ihren jüngsten Gutachten über den Export von lebenden Tieren in Nicht-EU-Länder – sowohl auf dem See- als auch auf dem Landweg – berichtete die EU-Kommission über die weit verbreitete Nichteinhaltung der EU-Transportverordnung.
In Deutschland haben einzelne Bundesländer wiederholt Exportstopps für Langstreckentransporte in gewisse Nicht-EU-Staaten verfügt (vgl. jüngste Berichterstattungen über Exportstopps für 270 Zuchtrinder bzw. 528 Zuchtrinder nach Marokko, beide erfolgten im Mai 2021 durch das niedersächsische Landwirtschaftsministerium). Diese wurden gerichtlich bislang allerdings regelmässig aufgehoben (siehe den jüngsten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen vom 26. Mai 2021). Die Niederlande demgegenüber erliessen im Frühling 2020 einen weitgehenden Exportstopp für Tiere, denen gemäss EU-Transportverordnung aufgrund der langen Beförderungsdauer eine 24-stündige Pause in einem Nicht-EU-Land gewährt werden müsste. Dies vor dem Hintergrund, dass die notwendigen Infrastrukturen für entsprechende Transportpausen vielerorts fehlen und Verstösse gegen diese Auflage daher vorprogrammiert sind (vgl. Bericht der Organisation Eyes on Animals).
Auch ausserhalb Europas steigt das Bewusstsein: So liess Neuseeland im April 2021 verlauten,
dass der Lebendexport von landwirtschaftlichen Zuchttieren per Schiff
innerhalb einer zweijährigen Übergangsfrist aus Tierschutzgründen
eingestellt werden soll. Der Anteil der aus Neuseeland verschifften
Tiere (ausschliesslich für die Zucht, nicht für die Schlachtung) bewegt
sich zwar auf vergleichsweise geringem Niveau, dennoch ist das von
Neuseeland gesetzte Zeichen bedeutsam.
Unmittelbar nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie kam es aufgrund von Grenzschliessungen an vielen EU-(Aussen-)Grenzen immer wieder zu stunden- und tagelangen Staus mit katastrophalen Folgen für die Tiere auf den feststeckenden Transportern, was die Problematik von Langstreckentransporten nochmals deutlich aufzeigte. Dabei ist festzuhalten, dass es auch innerhalb der EU bei Tiertransporten immer wieder zu gravierenden Mängeln wie Überbelegung der Fahrzeuge oder Transporte bei extremer Hitze oder Kälte kommt (vgl. Bericht vom Deutschlandradio über internationale Tiertransporte vom 8. Januar 2019).
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist die Forderung des Europäischen Parlaments (vgl. Bericht des EU-Parlaments zur besseren Durchsetzung der EU-Transportverordnung vom 31. Januar 2019) nach Alternativen zu Langstreckentransporten bzw. deren Reduktion sowie einer Anpassung der in Drittländern für Tiertransporte geltenden Standards an die Normen der EU, wenngleich ein konsequentes Verbot entsprechender Transporte aus Tierschutzsicht angemessen wäre. Im Weiteren werden schärfere Regeln für sämtliche Tiertransporte bzw. eine Verbesserung der Umsetzung der EU-Transportverordnung verlangt. Gemäss Ausführungen im Bericht des EU-Parlaments ist die Durchführung der EU-Transportverordnung unzureichend und zwischen den Mitgliedstaaten nicht einheitlich. Das Parlament fordert wirksamere Sanktionen (u.a. strafrechtliche Verfolgung einschliesslich Massnahmen, wie Einziehung von Fahrzeugen und verpflichtende Fortbildungsprogramme) sowie eine Anpassung der Transportverordnung an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, u.a. hinsichtlich Belüftung und Kühlung von Fahrzeugen und Wasserversorgung. Zudem wird eine klare Definition der Transportfähigkeit inklusive diesbezüglicher Schulung von Landwirten, Fahrern und Tierärzten verlangt, um dem Transport von transportunfähigen Tieren entgegenzuwirken.
In der Schweiz ist die reine Fahrzeit bei Tiertransporten zwar auf sechs Stunden beschränkt, und der Transport inklusive Verlade- und Wartezeit darf acht Stunden insgesamt nicht überschreiten. Ausnahmen gelten für importierte Küken aus Hochleistungszuchten für die Legehennen- und Geflügelmastindustrie. Zusätzlich werden Ausnahmen für Schlachtgeflügel bis zu zwölf Stunden behördlich toleriert. Die Durchfuhr von Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Schlachtpferden und Schlachtgeflügel auf der Strasse ist gemäss Art. 175 TSchV nicht erlaubt. Das Transitverbot für Langstreckentransporte steht politisch aber immer wieder zur Diskussion, weil die Schweiz – oft ohne öffentliche Diskussion – nach und nach EU-Recht übernimmt.
Insbesondere aber, weil hierzulande importiertes Fleisch bedenkenlos und in beträchtlichen Mengen konsumiert wird, betrifft das Thema Langstreckentransporte unmittelbar auch die Schweiz. Es gibt keinen Weg, das Wohlergehen der betroffenen Tiere auf diesen langen Transportwegen sicherzustellen. Der Aktionstag "Ban Live Exports" will das Leiden der Tiere auf ihrer langen Reise in den Tod thematisieren. Von der Organisation Compassion in World Farming (CIWF) initiiert, findet der heutige Aktionstag aufgrund der vielerorts noch geltenden Corona-bedingten Einschränkungen wieder online statt. Ziel ist es, Veränderungen im Konsumverhalten der Bevölkerung und in der Subventionspolitik zu bewirken.
Die TIR bittet alle Konsumentinnen und Konsumenten, sich zu informieren, Verantwortung zu übernehmen und die Fakten beim Einkaufsentscheid zu berücksichtigen. Die Nachfrage nach entsprechenden Produkten ist einer der Hauptgründe, aus dem das respektlose Tiertransportsystem trotz jahrelanger Kritik für die Profiteure nach wie vor attraktiv ist.
Weitere Informationen
- Patsch Patricia, Analyse des europäischen und österreichischen Tiertransportrechts – Erarbeitung von rechtlichen Verbesserungsvorschlägen und Anregungen, Dissertation Innsbruck 2020
- Pressemitteilung der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT) bzgl. eines Exportverbots lebender Tiere in Tierschutz-Hochrisikostaaten vom 13.6.2021