TIR enttäuscht: Gerichtsentscheid erachtet Töten von Eintagsküken als mit deutschem Tierschutzgesetz vereinbar
25.05.2016
Ende letzter Woche hat das Oberverwaltungsgericht Münster nun die dagegen eingelegten Berufungen abgewiesen. Anders als das Schweizer Rechtssystem verlangt das deutsche Tierschutzgesetz für die Tötung eines Tieres zwar den Nachweis eines "vernünftigen Grundes". Diesen sieht das Gericht jedoch darin begründet, dass die Aufzucht der männlichen Küken für die Brütereien mit einem unverhältnismässig grossen Aufwand verbunden sei. Zu dem Ergebnis kommt das Gericht nach einer Abwägung der betroffenen Belange. Die Aufzucht männlicher Küken der Legelinie stehe im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so das Oberverwaltungsgericht. Technische Verfahren zur Feststellung des Geschlechts im Ei seien noch nicht praxistauglich und die männlichen Küken der Legelinie liessen sich von den Brütereien praktisch nicht vermarkten. Das Gericht sieht die Tötung der Küken daher als Teil des Verfahrens zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch (hier zur gesamten Pressemeldung des OVG Münsters vom 20. Mai 2016).
Die TIR kritisiert den Entschied des Oberverwaltungsgerichts Münster scharf. Eine Produktionsweise, bei der die Hälfte der Tiere als "Abfallprodukte" geboren werden, widerspricht der Anerkennung der Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen diametral. Wirtschaftliche Gründe wie Zeit- und Kostenersparnis dürfen die Tötung eines Tieres nicht rechtfertigen.
Rund 45 Millionen männliche Küken der Legelinie werden jährlich in Deutschland geschreddert oder vergast. Sie setzen anders als die Fleischlinie nur wenig und sehr langsam Fleisch an. Sie sind daher für die Industrie nutzlos, da sie keine Eier legen und für die Fleischproduktion wenig rentabel sind.
Das systematische Töten männlicher Küken ist in Europa gängige Praxis. Das es auch anders geht, zeigt Luxemburg. Im Rahmen der Vorstellung des Entwurfs zum neuen Tierschutzgesetz kündigte der Luxemburgische Landwirtschaftsminister an, dass auch das Töten männlicher Küken verboten werden soll, da die Würde des Tieres über dem Profit stehen müsse (siehe TIR-Newsmeldung vom 17. Mai 2016).
Auch in der Schweiz werden jedes Jahr 2,2 Millionen männliche Küken getötet, obwohl diese umstrittene Praxis als Tierwürdemissachtung zu qualifizieren ist. Durch das Vergasen oder Schreddern als unerwünschte Nebenprodukte wird der rechtlich geschützte Eigenwert der Jungtiere völlig missachtet. Die ausführenden Bestimmungen zur Kükentötung in der vom Bundesrat erstellten Tierschutzverordnung legalisieren die gesetzeswidrige Praxis jedoch. Die offensichtliche Missachtung der Tierwürde wird damit entgegen den Grundsätzen der Tierschutzgesetzgebung auch in der Schweiz immer noch toleriert. Nicht vergessen werden darf, dass es sich bei den tierschutzrechtlichen Bestimmungen lediglich um Mindeststandards handelt, die nicht immer zwangsläufig dem Tierwohl gerecht werden. Die TIR wird sich daher weiterhin beharrlich für eine Verstärkung des rechtlichen Tierschutzes und dessen konsequenten Vollzug einsetzen.