TIR enttäuscht: Umsetzung des Kükentötungsverbot in Nordrhein-Westfalen gescheitert
Im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde Ende 2013 das maschinelle Massentöten sogenannter "Eintagsküken" verboten. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) begrüsste den mutigen Schritt der Landesregierung, dieser aus Tierschutzsicht höchst fragwürdigen Praxis entgegenzutreten. Gestützt auf die von den betroffenen Brütereien geforderte gerichtliche Überprüfung hat das Verwaltungsgericht Minden das Verbot nun aufgehoben.
18.02.2015
Das Verwaltungsgericht Minden hat dem Land Nordrhein-Westfalen nun aber untersagt, das massenweise Töten männlicher Küken zu verbieten. Angesichts der Tragweite eines solchen Verbots wäre nach Auffassung des Gerichts zu dessen Erlass eine spezialgesetzliche Ermächtigungsrundlage erforderlich. Die Generalklausel, auf die sich das Landwirtschaftsministerium stützte, reiche zur Rechtfertigung eines solch erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Brütereibetreiber nicht aus. Von der seit Jahren im In- und Ausland üblichen und tolerierten Tötungspraxis könne nicht allein unter Hinweis auf eine geänderte gesellschaftliche Bewertung des Tierschutzes abgewichen werden. Dem stünden schutzwürdige Interessen der Betreiber der Brütereien entgegen, da es derzeit keine marktdeckenden und praxistauglichen Alternativen zur Tötung der männlichen Küken gebe. Die Entscheidung darüber, ob die gewandelte gesellschaftliche Bewertung des Tierschutzes diese Interessen tatsächlich überwiegt, müsse der Gesetzgeber treffen.
Folglich hiess das Gericht Klagen von elf Brütereien aus Nordrhein-Westfalen gut. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dem Land Nordrhein-Westfalen steht die Berufung ans Oberverwaltungsgericht Münster offen.
Die TIR kritisiert die Haltung des Verwaltungsgerichts. Das deutsche Tierschutzgesetz kennt im Gegensatz zum schweizerischen Rechtssystem einen ausdrücklichen Lebensschutz für Tiere. Für deren Tötung muss ein "vernünftiger Grund" nachgewiesen werden. Bereits die Staatsanwaltschaft Münster war in einer strafrechtlichen Beurteilung zum Schluss gekommen, dass ein solcher bei der systematischen Tötung männlicher "Eintagsküken" fehle und folglich der entsprechende tierschutzgesetzliche Straftatbestand erfüllt sei (vgl. TIR-Newsmeldung vom 30. September 2014). Indem das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium das Massentötens männlicher Küken untersagte, setzte es somit lediglich geltendes Recht um. Dass dieses Verbot nun wieder aufgehoben wurde, ist für die TIR daher nicht nachvollziehbar.
In der Schweiz ist das systematische Töten männlicher Küken als unerwünschte "Abfallprodukte" als strafbare Tierwürdemissachtung zu qualifizieren. Die ausführende Bestimmung zur Kükentötung in der vom Bundesrat erstellten Tierschutzverordnung legalisiert die gesetzeswidrige Praxis jedoch und beseitigt damit deren Strafbarkeit. Die offensichtliche Missachtung der Tierwürde wird damit entgegen den Grundsätzen der Tierschutzgesetzgebung in der Schweiz immer noch toleriert.