TIR hocherfreut - Verwaltungsgericht verbietet umstrittene Hirnforschung an Zebrafinken
Das kantonale Verwaltungsgericht hat einen in Zürich geplanten schwerbelastenden Tierversuch zur Erforschung der neuronalen Mechanismen im Zusammenhang mit dem Singverhalten von Zebrafinken für unrechtmässig erklärt, nachdem die drei Tierschutzdelegierten der Zürcher Tierversuchskommission die zunächst erteilte Bewilligung angefochten hatten. Der erwartete Erkenntnisgewinn war nach Ansicht des Gerichts zu gering, um die erheblichen Belastungen der Tiere zu rechtfertigen, da kein konkreter medizinischer Nutzen für den Menschen absehbar war. Der Entscheid ist ein wegweisender Erfolg für den Tierschutz.
16.01.2023
Das Institut für Neuroinformatik der ETH und Universität Zürich reichte im Oktober 2018 ein Gesuch für einen Tierversuch ein, mit dem die Mechanismen im Gehirn von Zebrafinken entschlüsselt werden sollten, die hinter der Planung, der Vorbereitung und der Erzeugung von Vogelgesang stehen. Darüber hinaus erhofften sich die Forschenden von dem Experiment auch Erkenntnisse über den menschlichen Spracherwerb sowie zur Entwicklung von Sprachstörungen wie etwa Stottern. Der geplante Versuchsablauf sah unter anderem vor, dass über 100 der insgesamt 136 beantragten Vögel einem operativen Eingriff am Schädel unterzogen und anschliessend an zweimal zehn Tagen während jeweils acht bis neun Stunden über ein am Kopf angebrachtes Implantat mit einem Kabel verbunden werden. Dabei wären die sehr geselligen Tiere auch immer wieder einzeln in winzigen Käfigen gehalten worden. Das Experiment wurde dementsprechend der höchsten Schweregradkategorie (SG 3) zugeordnet.
Auf Antrag der Mehrheit der kantonalen Tierversuchskommission bewilligte das kantonale Veterinäramt den Versuch. Gegen diese Bewilligung erhoben die drei Tierschutzdelegierten der Kommission, darunter auch ein Mitarbeiter der Stiftung für das Tier im Recht (TIR), im April 2019 Rekurs. Sie waren der Ansicht, dass der erwartete Kenntnisgewinn nicht höher zu gewichten sei als die Belastungen der Tiere – genau dies ist im Schweizer Recht jedoch eine zentrale Voraussetzung für die Bewilligungserteilung. Nachdem die Gesundheitsdirektion im März 2021 den Rekurs abgewiesen und die Bewilligung bestätigt hatte, zogen die Tierschutzdelegierten den Fall mittels Beschwerde ans Verwaltungsgericht weiter.
Mit seinem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil vom 24. November letzten Jahres hob das Verwaltungsgericht die Bewilligung für den Tierversuch nun auf. Es kam zum Schluss, dass die Kommissionsmehrheit, das Veterinäramt und die Gesundheitsdirektion den Kenntnisgewinn deutlich zu hoch gewichtet hätten. Tatsächlich reiche dieser nicht aus, um die schweren Belastungen der Vögel zu rechtfertigen. Das Gericht begründete seine Ansicht insbesondere damit, dass ein tatsächlicher medizinischer Nutzen für den Menschen nicht genügend konkret absehbar sei, und folgte damit der Argumentation der Tierschutzdelegierten.
Die Forschenden haben zwar noch die Möglichkeit, das Urteil vor dem Bundesgericht anzufechten. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist aus Tierschutzsicht aber dennoch ein grosser Erfolg. In der Praxis kommt es regelmässig vor, dass ethisch sowie wissenschaftlich fragwürdige Tierversuche zu Unrecht bewilligt werden. Insbesondere in der Grundlagenforschung – der Bereich, in dem rund 80 Prozent aller Tiere, die im Rahmen von Versuchen schwere Belastungen erleiden, eingesetzt werden – ist der Erkenntnisgewinn der beantragten Experimente oftmals nur marginal. Dennoch werden die entsprechenden Gesuche routinemässig bewilligt und von der Mehrheit der Tierversuchskommissionsmitglieder kaum einmal grundlegend hinterfragt. Die TIR hofft nun auf eine Signalwirkung des Verwaltungsgerichtsurteils und ist zuversichtlich, dass dieses einen wichtigen Schritt in Richtung Abkehr von dieser rechtswidrigen Bewilligungspraxis darstellt.