Tierversuchsstatistik 2019: Gesamtzahl eingesetzter Tiere rückläufig, aber mehr Tiere in schwerbelastenden Versuchen
Am 21. Juli hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Tierversuchsstatistik für das Jahr 2019 veröffentlicht. Insgesamt wurden in der Schweiz im letzten Jahr 572'069 Tiere in Versuchen eingesetzt, was gegenüber dem Vorjahr einer Abnahme um 2.5 % entspricht. Bedenklich ist aus der Sicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) jedoch der seit mehreren Jahren festzustellende stetige Anstieg der Anzahl Tiere, die im Rahmen mittel- oder schwerbelastender Versuche verwendet werden.
22.07.2020
Die Gesamtzahl der in Versuchen eingesetzten Tiere ist 2019 zum vierten Mal in Folge gesunken. Dies ist zwar zu begrüssen, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Zahlen auf einem konstant hohen Niveau eingependelt haben. In den vergangenen Jahren wurden jeweils etwa gleich viele Tiere eingesetzt wie vor 20 Jahren. Sowohl die Bundesverfassung als auch das Tierschutzgesetz verpflichten den Bund jedoch, auf eine möglichst weitgehende Reduktion beziehungsweise eine Abkehr von Tierversuchen hinzuwirken.
Besonders problematisch ist aus Tierschutzsicht die seit 2012 zu verzeichnende kontinuierliche Zunahme der Zahl der für schwerbelastende Versuche verwendeten Tiere. Lag diese vor acht Jahren noch bei 11'699, waren es im Jahr 2019 18'290 Tiere, die im Rahmen von Experimenten schweren und/oder mittel- bis langfristigen Schmerzen, Leiden, Schäden, Ängsten oder Beeinträchtigungen des Allgemeinbefindens ausgesetzt waren. Mit Abstand am häufigsten betroffen waren Mäuse, gefolgt von Ratten, Fischen und Reptilien beziehungsweise Amphibien. Auch in der mittleren Schweregradkategorie, die ebenfalls mit erheblichen Belastungen der Tiere einhergeht, ist seit Jahren ein Anstieg zu beobachten.
Über 70 % der mittel- oder schwerbelasteten Tiere wurden in Versuchen im Rahmen der Grundlagenforschung eingesetzt – einem Forschungsbereich, dessen Nutzen für die Gesellschaft häufig schwierig einzuordnen ist. Entsprechende Versuche bereiten in Bezug auf ihre Rechtfertigung besondere Schwierigkeiten. Die TIR setzt sich deshalb politisch dafür ein, dass tierexperimentelle Forschung endlich einer Nutzenbewertung unterzogen wird.
Vor dem Hintergrund, dass die öffentliche Hand solche Versuche mittels hoher Summen finanziert, und angesichts dessen, dass der wissenschaftliche Wert von Tierversuchen insbesondere im Hinblick auf die Erforschung menschlicher Erkrankungen zunehmend infrage steht, ist nicht verständlich, warum eine Erfolgskontrolle bislang ausbleibt.
Generell ist darauf hinzuweisen, dass in der Umsetzung des Tierversuchsrechts, insbesondere im Bereich der Bewilligungspraxis, erhebliche Mängel bestehen. Das Tierschutzgesetz sieht vor, dass ein Tierversuch nur bewilligt werden darf, wenn der erwartete Kenntnisgewinn die Belastungen der Tiere überwiegt. Tatsächlich wird aber so gut wie jeder von den Forschenden in Aussicht gestellte medizinische Nutzen von den kantonalen Tierversuchskommissionen und den Bewilligungsbehörden höher gewichtet als die Belastung der Tiere. Dies hat zur Folge, dass kaum einmal ein Versuchsantrag abgehlehnt wird. Auch Versuche der höchsten Belastungskategorie werden routinemässig bewilligt. Eine solche Bewilligungspraxis wird den rechtlichen Vorgaben nicht gerecht.
Die TIR ist bestrebt, diesen Missständen entgegenzutreten. Sie steht momentan in engem Kontakt mit Parlamentariern, um mit diesen mögliche politische Vorstösse zu diskutieren, die darauf abzielen, die Zahl der in Tierversuchen eingesetzten Tiere und deren Belastung deutlich zu senken und den gesellschaftlichen Nutzen dieser Experimente einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.