TIR enttäuscht – Nationalrat lehnt Verbot schwerbelastender Tierversuche ab
Der Nationalrat hat am vergangenen Mittwoch einen von Maya Graf (GPS/BL) eingereichten Vorstoss für ein Verbot schwerbelastender Tierversuche mit 114 zu 60 Stimmen abgelehnt. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) bedauert diesen Entscheid, da solche Versuche ihrer Ansicht nach nicht mit dem tierschutzrechtlichen Grundprinzip des Schutzes der Tierwürde vereinbar sind.
27.09.2019
Genau dies wollte Maya Graf mit ihrer in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Tierschutz STS ausgearbeiteten parlamentarischen Initiative ändern. Diese zielte darauf ab, Tierversuche des Schweregrad 3 zu verbieten. Die Nationalrätin begründete ihr Anliegen insbesondere damit, dass die hohe Belastung der Tiere die Aussagekraft der Versuche stark einschränke, weshalb der Erkenntnisgewinn solcher Experimente in einem Missverhältnis zu den Leiden der Tiere stünde. Zudem sei die Zahl entsprechender Versuche trotz Verankerung des sogenannten 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) in der Tierschutzgesetzgebung in den letzten Jahren nicht gesunken und würden nach wie vor jährlich 15'000 – 17'000 Tiere Belastungen des Schweregrads 3 ausgesetzt. Weiter wies sie darauf hin, dass nur maximal zehn Prozent der durchgeführten Tierversuche überhaupt zur Entwicklung neuer Medikamente und Therapien für den Menschen führen würden (wobei hierzu anzumerken ist, dass zahlreiche Studien von noch wesentlich tieferen Prozentzahlen ausgehen).
Die Mehrheit des Nationalrats lehnte den Vorstoss jedoch ab und folgte damit der vorberatenden Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK). Diese ist der Meinung, dass Tierversuche für die Entwicklung innovativer Therapien unerlässlich seien und der aktuelle rechtliche Rahmen insgesamt eine ethisch verantwortungsvolle Forschung garantiere. Ein Verbot schwerbelastender Versuche sei daher zu radikal und würde die Forschung zu stark beeinträchtigen.
Die TIR ist enttäuscht über die Haltung des Nationalrats. Tieren Belastungen im Ausmass eines Schweregrads 3 zuzufügen, ist ihrer Ansicht nach ethisch nicht vertretbar.
Ausserdem bieten die aktuellen Vorschriften über Tierversuche keineswegs Gewähr für eine ethisch verantwortungsvolle Forschung, wie dies die WBK des Nationalrats behauptet. Zwar besagt das Tierschutzgesetz, dass Tierversuche nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn der erwartete Erkenntnisgewinn die Belastungen der betroffenen Tiere überwiegt. Zudem müssen in den kantonalen Tierversuchskommissionen, die die Abwägung zwischen Forschungsnutzen und Tierwohl vorzunehmen haben, auch Tierschutzorganisationen "angemessen" vertreten sein. Gegenüber den Vertretern der Forschung sind die Tierschutzvertreter jedoch in sämtlichen Kantonen in der Unterzahl. Dies hat zur Folge, dass die Güterabwägung in den allermeisten Fällen nicht sorgfältig und korrekt durchgeführt wird. Vielmehr wird seitens der Forschungsvertreter – die mit ihren Stimmen jederzeit eine Mehrheit bilden können – so gut wie jeder Erkenntnisgewinn, der dem Menschen möglicherweise einmal zugutekommen könnte, automatisch höher gewichtet als die Belastungen der Versuchstiere – auch bei Versuchen des Schweregrads 3. Folglich wird kaum einmal ein Tierversuchsgesuch abgewiesen, wie die entsprechenden Statistiken belegen. Der Nationalrat hat es nun mit seiner Entscheidung verpasst, diesen Vollzugsmangel zu beheben. Schwerbelastende Tierversuche werden daher in absehbarer Zeit wohl trotz ihres sehr fraglichen Nutzens weiterhin routinemässig bewilligt und durchgeführt und die Tierwürde somit systematisch missachtet werden.
Die TIR dankt Maya Graf für ihr grosses Engagement für die Versuchstiere. Sie hofft zudem auf eine tierfreundlichere Zusammensetzung des National- und des Ständerats nach den Wahlen im Oktober, damit Tierschutzanliegen im Parlament künftig endlich wieder mehr Beachtung finden.