TIR kritisiert unzureichenden rechtlichen Schutz für Hühner
In der Schweiz werden jährlich rund 65 Millionen Hühner aufgezogen und geschlachtet. Zudem hat der Eier-Verbrauch in der Schweiz mit 1.51 Milliarden Stück im Jahr 2017 einen neuen Rekord erreicht. Trotz dieser horrenden Zahlen sind die Umstände, unter denen die Tiere gehalten und getötet werden, in der Öffentlichkeit nur selten ein Thema. Dabei treten gerade bei der Geflügelzucht und -haltung sowie im Rahmen der Eierproduktion besonders schlimme Auswüchse zutage. Auch die für den Vollzug der Tierschutzgesetzgebung zuständigen Behörden widmen Hühnern leider oftmals nicht die notwendige Aufmerksamkeit.
29.03.2018
Die Leidens- und Empfindungsfähigkeit von Hühnern findet in der
konventionellen Eier- und Fleischindustrie wenig Beachtung. Während die
Werbung und Produktverpackungen Hühner regelmässig "glücklich" in
kleinen Gruppen im Freien präsentieren, sieht die Realität in den
allermeisten Fällen anders aus: Die überwiegende Mehrheit der fast elf
Millionen in der Schweiz gehaltenen Hühner lebt in Hallen mit mehreren
Tausend Tieren. So ist bis zum 28. Masttag beispielsweise die Haltung
von bis zu 27'000 Masthühnern erlaubt. Ab dem 43. Masttag ist ein
Höchstbestand von bis zu 18'000 Tieren zulässig.
Die
Hochleistungszucht und die Haltungsbedingungen führen dazu, dass bei
Masthühnern vielfach schmerzhafte Gelenkschäden sowie Geschwüre und
Entzündungen an den Füssen auftreten. Gemäss Angaben der Geflügelbranche
sterben bis zu vier Prozent der Tiere bereits vor der Schlachtung. Bei
Legehennen kommt es zudem oftmals zu Knochenbrüchen infolge
Kalziummangels sowie zu Eileiterentzündungen.
Das Tierschutzrecht
schreibt Tierhaltenden unter anderem vor, dass sie das Befinden ihrer
Tiere regelmässig zu überprüfen haben. Kranke oder verletzte Tiere
müssen unverzüglich ihrem Zustand entsprechend untergebracht, gepflegt
und behandelt oder tierschutzkonform getötet werden. Im Rahmen einer
Haltung von mehreren tausend Tieren ist es aber kaum möglich, dem
einzelnen Tier gerecht zu werden. Dies, obwohl Hühner gleichermassen vom
Geltungsbereich des Tierschutzrechts erfasst sind wie alle anderen
Wirbeltiere. Ihr Wohlergehen und ihre Würde sind ebenso geschützt wie
etwa jene von Hunden, Katzen oder Rindern.
Im Rahmen der Eierproduktion werden in der Schweiz zudem jedes Jahr rund zwei Millionen männliche Küken an ihrem ersten Lebenstag als "industrieller Abfall" vergast oder geschreddert, da sie keine Eier legen und somit für die Produzenten "wertlos" sind. Da die einseitig auf höchste Legeleistung ausgerichteten Tiere nur wenig Fleisch ansetzen, sind sie zudem auch für die Mast nicht interessant. Dieses höchst fragwürdige Vorgehen in der Eierproduktion widerspricht klar dem in der Bundesverfassung wie auch im Tierschutzgesetz verankerten Prinzip des Schutzes der Tierwürde. Durch das Töten der Küken als unerwünschtes Nebenprodukt wird deren Eigenwert vollständig missachtet. Dennoch wird die Praktik von der Tierschutzverordnung erlaubt.
Um solchen lebensverachtenden Auswüchsen im Umgang mit Tieren entgegenzuwirken, macht sich die TIR schon seit Jahren auf politischer Ebene sowie im Rahmen von Fachpublikationen und Ausbildungsveranstaltungen für eine konsequente Umsetzung des Schutzes der Tierwürde stark. Nur wenn die politischen Entscheidungsträger und die Behörden genügend für die Thematik sensibilisiert sind, kann dem Tierwürdekonzept tatsächlich zum Durchbruch verholfen werden.
Weitere Informationen:
- Tierschutzstrafpraxis 2016: TIR-Analyse zeigt massive kantonale Unterschiede bei der Verfolgung von Tierschutzdelikten und einen fast inexistenten Tierschutzstrafvollzug im Bereich der Nutzhuhnhaltung
- Stellungnahme vom 8.5.2018 des Ombudsmanns zur Beschwerde von Micarna
- TIR-Informationsflyer Nr. 40 "Unzureichender rechtlicher Schutz für Hühner"