Zur laufenden Revision des Schweizer Tierschutzgesetzes im Nationalrat: Die Stiftung für das Tier im Recht sieht im neuen Gesetzesvorschlag bei gesamthafter Betrachtung keinen echten Fortschritt für die Tiere
(mitg., 9.6.2005) Am 8. und 9. Juni 2005 hat der Nationalrat das eidgenössische Tierschutzgesetz beraten. Obschon vor Abschluss der Beratungen noch kein endgültiges Urteil gefällt werden kann, zeichnet sich nach den bisherigen Verhandlungsrunden ein ernüchterndes Resultat ab.
10.06.2005
Wohl sind gewisse Fortschritte für das Tier zu verzeichnen, wenn man die Neuerungen mit dem jetzigen Rechtszustand und mit der Vorlage des Bundes- und des Ständerates vergleicht. Gestern und heute wurde eine Deklarationspflicht von Nahrungsmitteln aus tierischen Produkten durchgesetzt, was dann einen zusätzlichen Vorteil für Tiere bringt, wenn die Konsumentenschaft über Inhalt und Tragweite angemessen orientiert werden wird. Gestrichen wurde das Beurteilungskriterium der „wirtschaftlichen Tragbarkeit“ beim Festlegen von Mindestanforderungen für die Nutztierhaltung – ein richtiges Signal, dass der Schutz des Tieres dem des Portemonnaies eigentlich vorgehen soll. Mit dem Importverbot von Hunde- und Katzenfellen wurde ebenfalls der Empörung der Bevölkerung über Haltungs- und Tötungsmissständen dieser Tiere namentlich in China Rechnung getragen. Mit der Beschränkung der maximalen Transportdauer von Schlachtvieh auf sechs Stunden wird die bisherige Praxis nun im Wesentlichen fest geschrieben.
Bereits der Ständerat hat gewisse Fortschritte eingeführt, wie dass eine Vernachlässigung von Tieren bereits strafbar ist, wenn sie nicht „stark“ ist, wie die Aufhebung der Melde- und ihre Überführung in die Bewilligungspflicht von Tierversuchen und die durchgehende Ergänzung der Aus- mit der entsprechenden Weiterbildung von Personen, die mit Tieren umgehen. Auch soll die Verletzung der tierlichen Würde – wenn gleich in sehr unbestimmter Weise – künftig strafbar sein. Zudem sollen schwerstbelastende Tierversuche tendenziell - und in Abwägung mit dem erwarteten Kenntnisgewinn – untersagt sein.
Gewisse Abschwächungen gegenüber dem jetzigen Rechtszustand betreffen die Aufweichungen der Bewilligungspflicht der gewerbsmässigen Wildtierhaltung, die sich künftig nur noch auf besonders schwer zu haltende Tiere erstreckt. Bislang durften Schmerz verursachende Eingriffe nur unter tierärztlicher Betäubung stattfinden; künftig sollen „fachkundige Personen“ hierzu ausreichen.
Verpasste Chancen für einen zeitgemässen und dem deutschsprachigen Ausland angeglichenen Tierschutz liegen in der Weigerung, einen generellen Schutz des tierlichen Lebens einzuführen und die ungerechtfertige Tötung von Tieren zu verbieten.
Ebenfalls bleiben wirbellose Tiere vom Grundsatz her ungeschützt, und
wenn der Bundesrat Ausnahmen hiervon vorsieht, steht nicht die Würde des
Wirbellosen im Vordergrund, sondern dessen – nicht leicht
nachzuweisende - „Empfindungsfähigkeit“. Zudem werden schwerstbelastende
Tierversuche nicht ausdrücklich untersagt, und die Zoophilie, also der
geschlechtliche Umgang mit Tieren, soll auch künftig straflos bleiben.
Hoffnungen
setzt die Stiftung für das Tier im Recht insbesondere auf die
Einführung einer Tieranwaltschaft: Der Vollzug im strafrechtlichen
Tierschutz soll durch das Gesetz schärfer geregelt werden. Wir haben
heute eine unbefriedigende Situation. In einigen Kantonen gibt es gar
keine Tier-Straffälle, weil das Gesetz nicht angewendet wird. Im Kanton
Zürich, wo ein Tieranwalt wirkt, haben wir zahlreiche Fälle. Es soll in
jedem Kanton eine solche Instanz geben. Die Tieranwaltschaft kann die
Untersuchungsbehörden beraten und Strafuntersuchungen begleiten. Zudem
hat ein Tieranwalt die gleichen Rechte wie eine geschädigte Person in
einem Strafverfahren; er kann Zeugen und Gutachter vorschlagen oder ein
Verfahren weiterziehen. Die Verantwortung für die Bestrafung eines
Tierquälers hat nach wie vor eine Gerichtsinstanz. Die Tieranwaltschaft
unterstützt die Strafverfolgungsbehörden in Tierschutzsachen mit
Fachwissen und Motivation. Nicht einzusehen ist deshalb, weshalb sich
gerade diejenigen Kantonen mit Händen und Füssen gegen seine Einführung
wehren; als ob sie einen mangelhaften Vollzug des strafrechtlichen
Tierschutzes zu verbergen hätten.