Jagd
Ausgangslage
Der Jagd liegt eine sehr lange Tradition zugrunde, die ihren Ursprung in der Nahrungsbeschaffung des Menschen hat, aber auch von Zeiten geprägt ist, in denen sie insbesondere dem Adel zum blossen Freizeitvergnügen diente. Heute will sich die Jagd unter dem Aspekt des Naturschutzes und der nachhaltigen Nutzung verstanden wissen, wenngleich sie in der Schweiz noch immer von rund 32'000 Hobby-Jägern mit Leidenschaft betrieben wird.
Idealbild von Tier im Recht (TIR)
Das Fangen und Töten von Wildtieren ist weder zeitgemäss noch ethisch vertretbar, weshalb die Jagd nicht mehr betrieben werden sollte. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- Wildtiere haben ihre ganz eigene Existenzberechtigung und stehen nicht dem Menschen als beliebige Beutequelle zur Verfügung. Eine ethische Legitimation für das Töten von Tieren kann nur durch den Menschen selbst festgelegt werden, was erhebliche Zweifel an ihrer Objektivität aufkommen lässt.
- Die Tötung von Tieren ist immer mit einem ethischen Problem verbunden. Sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn die damit verbundenen Interessen höher einzustufen sind als das Leben des betroffenen Tieres. Ein solches Interesse könnte grundsätzlich in der Nahrungsgewinnung liegen, diese spielt für die heutige Jagd aber nur noch eine unbedeutende Nebenrolle.
- Freude am Töten kann kein Ziel unserer Gesellschaft sein und ist dem friedlichen Zusammenleben in keiner Weise förderlich. Jäger jagen eigenen Aussagen gemäss in erster Linie aus Leidenschaft und Freude am Jagen. Das Töten ist dabei nicht nur ein "notwendiges Übel", sondern eines der entscheidenden Momente der Jagdausübung.
Kurzfristig realisierbare Forderungen
In der hegerischen, kontrollierenden Art, wie sie heute betrieben wird, hat sich die Jagd als fester Bestandteil der sozialen Ordnung etabliert. Einer generellen Abschaffung der Jagd steht die Toleranz der Gesellschaft für dieses Tun gegenüber:
- Die Lebensraumeinschränkung ist für die veränderten Bedingungen des Wildes in erheblichem Masse mit verantwortlich. Es ist daher wichtig, bestehende Lebensräume zu sichern und mehr extensiv genutzten, nicht von Wegen und Strassen zerschnittenen Lebensraum für Wildtiere zu schaffen. Damit einhergehend ist zu fordern, vermehrt und besser verteilte jagdfreie Räume nach dem Vorbild des Nationalparks zur Erholung des empfindlichen Gleichgewichts zu schaffen.
- Der unbestimmte und historisch gewachsene Begriff der Waidgerechtigkeit umschreibt verschiedene Verhaltensregeln bei der Jagd, dient in erster Linie der Gerechtigkeit unter Jagdpartnern und ist mitunter Ehrenkodex. Nur wenige Grundsätze dienen hingegen der Achtung vor dem Mitgeschöpf, einige erweisen sich als für das Wohlbefinden des Tieres nutzlos oder gar schädlich (so etwa im Zusammenhang mit der verspäteten Nachsuche). Es wäre an der Zeit, den Begriff der Waidgerechtigkeit zu überdenken und vermehrt Aspekte des Tierschutzes darin aufzunehmen.
- Angesichts der erheblichen Anzahl an Jagdunfällen ist die Eignung des einzelnen Jägers zur Jagd regelmässig zu überprüfen. In einigen Kantonen verliert das Jagdpatent seine Gültigkeit bei Nichtausübung der Jagd erst nach zehn Jahren. So ist nicht erstaunlich, dass immer wieder Fälle bekannt werden, in denen Jäger durch ungenügende Übung treffunsicher oder zu nervös sind, den entscheidenden Fangschuss abzugeben. Regelmässige, in kurzen Abständen erfolgende Seh- und Schiesstests auf bewegliche, leblose Gegenstände müssen Vorschrift sein.
- Der bei der Jagdausübung als selbstverständlich in Kauf genommene "übliche Rahmen" an Fehlschüssen auf Tiere ist zu reduzieren. Bewegungsjagden können nicht toleriert werden, auch des erhöhten Risikos für Unbeteiligte wegen.
- Eine ethische Legitimation für das Schiessen von Tieren, die eigens dafür gezüchtet und ausgesetzt worden sind, ist kaum zu finden, ganz zu schweigen von der Jagd auf seltene und gefährdete Tierarten, selbst wenn ihr Verschwinden eher den mangelhaften Lebensbedingungen als der Jagd zugeschrieben werden muss.
- Angeschossene und verletzte Tiere gehören zum normalen Jagdbetrieb. Verstümmelungen ohne direkte Todesfolge können – neben Schmerzen und Angst – indirekt zu einem langsamen Sterben des Tieres führen, das Tage oder sogar Wochen dauern kann. Eine unverzügliche, korrekte Nachsuche – wenn immer möglich mit ausgebildeten Schweisshunden – ist daher ein Muss.
- Nicht selten werden schlecht ausgebildete Hunde für die Jagd eingesetzt, teilweise sogar Tiere, die überhaupt nur während der Jagd freien Auslauf erhalten. Solche Hunde stellen unter Umständen eine erhebliche Gefahr für das Wild dar. Jagdhunde sind daher korrekt auszubilden – und dies ausschliesslich mittels ethisch verantwortbaren Methoden.
Antworten auf gängige Argumente von Jagdbefürwortern
- Die Jagd gehört seit jeher zum Menschen, sie ist eine uralte Tradition.
Traditionen sind stets von neuem kritisch zu überprüfen und den Wandlungen der Zeit im Bezug auf ethische Werte anzupassen. Diese sind höher zu bewerten als die Erhaltung fragwürdiger Bräuche. - Die durch das Wild verursachten Waldschäden müssen eingedämmt werden.
Die durch Schalenwild (d.h. Dam-, Gams-, Rot- und Schwarzwild) hervorgerufenen, teilweise massiven Verbiss- und Schälschäden, die die natürliche Verjüngung des Waldes behindern, sowie landwirtschaftliche Wildschäden sind Problembereiche, die zwingend Massnahmen erfordern. Ein Grund für die Ausmasse dieser Schäden sind möglicherweise die von Jägern ergriffenen Hegemassnahmen, die zu künstlich überhöhten Tierbeständen führen. Massnahmen wie Zaunbau zum Schutze von Bäumen und anderen Pflanzenarten sind unumgänglich; weitere ethisch verantwortbare Methoden der Prävention sind zu erforschen. - Jagd ist angewandter Naturschutz.
Wo Menschen leben, sind Eingriffe in die Natur unumgänglich, wobei der direkt oder indirekt verursachte Schaden schwer einzuschätzen ist. Durch möglichst schonende Eingriffe kann höchstens eine Schadensminimierung erreicht werden. Allein schon die Tonnen von Blei, die durch die Jagd in die Natur gelangen, sind mit Naturschutz nur schwer in Einklang zu bringen.
- Jagen ist natürlich.
Die heutige Form der Jagd hat mit der Jagd von Raub- auf Beutetiere oder der ursprünglichen, der Nahrungssuche dienenden Jagd des Menschen, nicht mehr viel gemeinsam. Während bei der ursprünglichen Form rund neun von zehn Versuchen, ein Tier zu erlegen, erfolglos waren, kann die heutige Überlegenheit des Menschen durch hoch entwickelte technische Hilfsmittel nicht mehr als natürlich angesehen werden. - Die Abschaffung der Jagd bedeutet enorme Kosten für den Staat.
In der Schweiz sind heute – mit Ausnahme des Kantons Genf – die beiden Jagdsysteme der Patent- bzw. Revierjagd von Bedeutung, die beide mitunter auch als eine gewisse Einnahmequelle der öffentlichen Hand angesehen werden können. Mit Abschaffung der herkömmlichen Jagdsysteme fielen diese Einnahmen weg. Zunehmend erhärtet sich allerdings der von Tierschutzorganisationen sowie einzelnen Biologen gehegte Verdacht, dass Wildschäden zu einem bedeutenden Teil auf die so genannten Hegemassnahmen der Jäger zurückzuführen sind. Insofern würden sich die vom Staat für Waldschäden zu entrichtenden Entschädigungen deutlich reduzieren.
© Tier im Recht, Januar 2017
Weitere Informationen
- Literatursuche in der Online-Datenbank der TIR-Bibliothek in Kategorie "Wildtiere: Jagd" oder mit dem Schlagwort "Jagd".
- Odysso (SWR) vom 28.Mai 2009: "Die Wahrheit über die Jagd" - Evolutionsbiologe und Zoologe Prof. Josef Reichholf erklärt, weshalb die Jagd zur Bestandesregulierung nicht notwendig ist.