Heimtiere
Ausgangslage
Als Heimtiere gelten Tiere, die nicht aus wirtschaftlichen Interessen, sondern aus emotionalen Absichten als Gefährten in unmittelbarer Nähe des Menschen gehalten werden. Zu ihnen gehören nicht nur Hunde, Katzen, Meerschweinchen oder Goldhamster, sondern immer mehr auch exotische Tiere wie Leguane, Chamäleons, Riesen- oder Giftschlangen, Kakadus oder Zierfische. Oft werden sie als Familienmitglieder, Partner, Therapeuten oder gar als Kinderersatz betrachtet, womit sie primär soziale Bedürfnisse befriedigen. Die Tiere stehen für Vitalität, Freude und Gesellschaft, trösten über soziale Verluste hinweg, begünstigen Stressabbau, begegnen der emotionalen Vereinsamung und stellen nicht selten sogar einen Partnerersatz dar. In etwa jedem zweiten Schweizer Haushalt lebt mittlerweile mindestens ein Heimtier.
Solange ihren natürlichen Bedürfnissen angemessen Rechnung getragen wird, ist gegen die Haltung von Heimtieren nichts einzuwenden. Allerdings wird Tierliebe nicht selten falsch verstanden oder übersteigert. Zudem werden Heimtiere an unsere Lebensart und Philosophie, unsere Umwelt, unseren Tagesrhythmus angepasst und je nach Art zwangsvergesellschaftet, zur Schau gestellt, nach menschlichen Vorgaben gezüchtet, angebunden oder eingesperrt. Tierschutzrelevante Fragen ergeben sich nicht zuletzt auch aus dem Umstand, dass Heimtiere im Eigentum des Menschen stehen und innerhalb der tierschutzrechtlichen Schranken nach Belieben mit ihnen umgegangen werden kann. Dadurch sind sie einer gewissen Ausbeutungsgefahr ausgesetzt.
Idealbild von Tier im Recht (TIR)
Die artgerechte Haltung von Tieren ist äusserst anspruchsvoll. Dennoch müssen Betreuung und Unterbringung den Bedürfnissen der Tiere gerecht werden und dürfen für diese höchstens mit sehr geringfügigen Einschränkungen in Bezug auf ihr ihre natürlichen Verhaltensweisen verbunden sein. Tiere sind Lebewesen mit selbständigem Existenzzweck. Dieser ist durch die Anerkennung der Tierwürde in Verfassung und Gesetz auch in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich geschützt. Die alleinige Instrumentalisierung von Tieren für die Interessen des Menschen entbehrt somit nicht nur jeglicher ethischen Grundlage, sondern widerspricht auch geltenden Rechtsgrundsätzen. Der Wunsch, ein Tier zu halten, ist folglich keine Rechtfertigung dafür, dessen Wohlergehen oder Würde zu beeinträchtigen. Die rechtlichen Vorgaben für die Tierhaltung haben sich daher nicht an den Möglichkeiten des Haltenden, sondern am Tierwohl zu orientieren. Wann immer diese hohen Standards nicht erfüllt werden können, sollen die betreffenden Tiere auch nicht gehalten werden dürfen.
Kurzfristig realisierbare Forderungen
Nicht jeder Mensch pflegt eine persönliche Beziehung zu Tieren. Aus Tierschutzsicht ist dies auch nicht notwendig. Die angestrebte Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung hat nicht zum Ziel, jedem Menschen einen emotionalen Bezug zu Tieren aufzuzwingen, sondern möchte das Verständnis für die tierlichen Bedürfnisse und Anliegen auch bei Nicht-Tierliebhabern fördern. In diesem Sinne wollen folgende Forderungen verstanden werden:
- Hobby-Tierhaltenden fehlt oft das Bewusstsein für eine artgerechte Haltung ihrer Tiere. Eine Ausbildungspflicht existiert – nachdem der obligatorische Sachkundenachweis für Hundehaltende Ende 2016 auf Bundesebene aufgehoben wurde und nun kantonal unterschiedlich geregelt wird – lediglich für die Halter und Halterinnen verschiedener Wildtiere sowie unter gewissen Voraussetzungen für Nutztiere und Pferde. Viele Tierschutzverstösse resultieren aus Unwissenheit. Wünschenswert wäre daher die vermehrte Einführung von Ausbildungspflichten für Tierhaltende. Jemandem, der bereit ist, für mehrere Jahre die Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, muss es auch zumutbar sein, im Rahmen eines Kurses den korrekten Umgang mit diesem zu erlernen. Ausserdem kommt Tierärzten, Züchtern, Tierheimen und Zoofachgeschäften die Aufgabe zu, Tierhaltende über die Ansprüche der Tiere zu informieren. Dabei soll nicht das gesetzliche Minimum als Massstab gelten, sondern die dem Wohlbefinden des Tieres am besten entsprechende Haltungsform.
- Tiere, die sich im Privatbereich des Halters aufhalten, entziehen sich weitgehend einer behördlichen Überwachung. Kontrollfunktion kommt daher in diesem Bereich vermehrt Privatpersonen (Familienmitgliedern, Nachbarn, Passanten etc.) zu. Unverzichtbar ist hierfür eine entsprechende Sensibilisierung der Bevölkerung, damit Tierschutzprobleme erkannt und nötigenfalls der Polizei, den Veterinärbehörden oder einem Tierschutzverein gemeldet werden. Praktische und rechtliche Aspekte des Tierschutzes müssen von Polizei- und Verwaltungsbehörden im Übrigen dringend besser wahrgenommen und in deren Ausbildung integriert werden.
- Tierheime erfüllen eine sehr wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft, indem sie dafür sorgen, dass der gesellschaftliche "Ausschuss" resozialisiert werden kann. Viele kleinere Tierheime kämpfen jedoch mit finanziellen Problemen. Die dringend erforderliche Unterstützung dieser wichtigen Einrichtungen könnte etwa durch einen Beitrag aus den Einnahmen der obligatorischen Hundesteuer sichergestellt werden.
- Mangelhafte Zustände in Haltung und Aufzucht von Rassetieren sind keine Seltenheit und selbst Defektzuchten – trotz ausdrücklichen gesetzlichen Verbots – auch unter anerkannten Züchtern noch immer weit verbreitet. Es gilt, das in der Tierschutzgesetzgebung verankerte Qualzuchtverbot konsequent umzusetzen und Zuchtverbände, Züchter, Tierärzte, den Zoofachhandel, Preisrichter sowie die einzelnen Heimtierhaltenden zu einem Umdenken zu bewegen. Als Zuchtziele müssen Gesundheit und Charakter der Tiere oberste Priorität zukommen. Weiter ist auch die Tötung überzähliger oder den Rassestandards nicht entsprechender Tiere nicht zu tolerieren und daher ausdrücklich zu verbieten.
- Die Haltung von Exoten als Heimtiere birgt grosse Probleme und Gefahren. Starke Platzbegrenzung, enorme finanzielle Aufwendungen, mangelnde Fachkenntnisse sowie kurzlebige Modeerscheinungen sind mögliche Gründe für die oft armseligen Verhältnisse, in denen exotische Tiere als Heimtiere zu leben haben. In diesem Bereich sind daher besonders hohe Anforderungen an Einfuhr, Zucht und Haltung sowie die Kontrolle zu stellen.
- Tiergestützte Therapien erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit und können ein geeignetes Mittel zur Behebung oder Minimierung physischen und psychischen Leidens des Menschen sein. Es sind dabei allerdings stets auch die Bedürfnisse der tierlichen Therapeuten zu beachten. Damit eine Übernutzung der Tiere beziehungsweise Leiden verhindert werden kann, sollten tiergestützte Therapien nur unter Aufsicht von in Tierschutzbelangen ausgebildeten Fachleuten durchgeführt werden dürfen.
- Der internationale Handel mit jungen oder exotischen Tieren boomt. Gerade Hunde sind vom illegalen Import besonders betroffen. Hinter dem skrupellosen Geschäft steckt grosses Tierleid. Die TIR fordert daher seit Jahren schärfere Massnahmen im Umgang mit dem illegalen Handel von Heimtieren. Um den illegalen Handel zu stoppen, braucht es auf nationaler sowie internationaler Ebene griffige Strukturen und Bestimmungen. Zudem ist die Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema illegaler Heimtierhandel von entscheidender Bedeutung.
Antworten auf gängige Argumente von Kritikern
- Den Tieren geht es hierzulande besser als unzähligen Menschen in anderen Teilen der Welt. Man sollte daher zuerst diesen helfen, bevor man sich für bessere Haltungsbedingungen für unsere Tiere bemüht.
Dass unzählige Menschen in anderen Ländern tatsächlich unter unwürdigen Bedingungen leben müssen, ist keine Rechtfertigung für die Schlechtbehandlung von Tieren hierzulande. Man kann nicht sämtliche Probleme der Welt priorisieren und sich immer nur dann einem konkreten Missstand widmen, wenn alle grösseren oder dringenderen Probleme gelöst sind. Ansonsten müsste beispielsweise auch das politische Tagesgeschäft in der Schweiz ausgesetzt werden, bis sämtliche Menschen auf der Welt genügend zu essen haben. Politisches Engagement für Menschen in ärmeren Regionen der Welt und Bemühungen hinsichtlich der Verbesserung der Haltungsumstände der in der Schweiz gehaltenen Tiere schliessen sich in keiner Weise gegenseitig aus. - Strenge Tierhaltungsvorschriften schränken wichtige Grundrechte wie beispielsweise die persönliche Freiheit oder die Wirtschaftsfreiheit massiv ein. Diese Grundrechte sind über den Tierschutz zu stellen.
Tierschutzvorschriften sind gleich wie andere Normen dazu da, menschliches Verhalten innerhalb einer Gesellschaft in gewisse Bahnen zu lenken. Tierschutz und der Schutz der Tierwürde im Besonderen stehen als auf Verfassungsstufe verankerte Staatsaufgaben rechtlich betrachtet auf derselben Stufe wie Grundrechte und können diese daher auch einschränken. Würde man alle Grundrechte uneingeschränkt gelten lassen, käme dies einer Anarchie gleich. Einschränkungen von Grund- und anderen Rechten dienen der Freiheit anderer Individuen und ermöglichen es diesen erst, ihre Rechte auszuüben. Tieren werden heute zu Recht gewisse Interessen und Ansprüche (insbesondere auf Achtung ihrer Würde und ihres Wohlergehens) zugestanden, die es mittels Einschränkungen anderer Rechte zu schützen gilt. - Man kann die Tierliebe auch übertreiben. Übervolle Tierheime beispielsweise sind teuer – besser wäre es, man würde diese Tiere einschläfern.
Hier stellt sich die generelle Tötungsfrage: Ist es legitim, Tiere zu töten? Durch den Tod werden sämtliche Funktionen des Organismus ausgeschaltet. Er stellt somit den einschneidendsten Schaden dar, der einem Tier zugefügt werden kann. Durch die Tötung wird einem Tier somit dessen fundamentalstes und wertvollstes Gut genommen (siehe hierzu das Argumentarium zum Thema "Lebensschutz"). In ethischer Hinsicht ist das Töten von Tieren daher lediglich im Zusammenhang mit der Euthanasie schwer leidender Tiere sowie in Notwehr- bzw. Notstandssituationen, die nicht anders abgewendet werden können, gerechtfertigt. Keinesfalls akzeptabel ist es, wenn Tiere aus rein ökonomischen Überlegungen getötet werden.
- Kampfhunde gefährden unsere Kinder. Es sollten endlich Massnahmen wie Maulkorb- und Leinenzwang ergriffen werden.
Als sogenannte Kampfhunde werden im Volksmund besonders aggressive, oftmals bestimmten Rassen zugehörende Hunde bezeichnet. Dass solche Hunde zwar hohe Ansprüche an Umgang und Erziehung stellen, nicht aber per se gefährlich sind, ist bekannt. Ein gewisses Gefahrenpotenzial ist grundsätzlich bei jeder (grösseren) Hunderasse vorhanden. Ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang stellt indessen keine geeignete Lösung dar, sondern fördert im Gegenteil aggressives Verhalten. Vielmehr sollte von Hundezüchtern und -haltern die Verantwortung wahrgenommen und eine entsprechende Ausbildung absolviert werden. In gewissen Kantonen bestehen zwar auch nach der Ende 2016 erfolgten Aufhebung der schweizweiten Sachkundenachweispflicht für Hundehaltende Ausbildungspflichten für bestimmte Rassen und Grössen. Verantwortungsvolle Hundehaltende sind aber angehalten, eine zusätzliche, für Halter und Tier angemessene Ausbildung zu absolvieren. - Im Normalfall werden die Tierschutzvorschriften eingehalten. Dennoch versuchen Tierschützer immer schärfere Bestimmungen im Gesetz zu verankern. Wozu?
Die Vorgaben von Tierschutzgesetz und -verordnung entsprechen auch im Heimtierbereich überwiegend nur gerade minimalen Haltungsanforderungen und bilden lediglich die Grenze zur Strafbarkeit. Dieser Tatsache sind sich viele Halter nicht bewusst. Zudem bestehen viele Unklarheiten hinsichtlich der Haltung von und dem Umgang mit einzelnen Tierarten. Die Bestimmungen über die Haltung der einzelnen Tierarten sind daher stets den neusten Erkenntnissen in Bezug auf deren Bedürfnisse und natürliche Verhaltensweisen anzupassen, um möglichst optimale Bedingungen für die Tiere zu schaffen.
© Tier im Recht, Mai 2021
Weitere Informationen
- Literatursuche in der Online-Datenbank der TIR-Bibliothek in Kategorie "Heimtiere" oder mit dem Schlagwort des gesuchten Heimtieres z.B. "Katze".