Die FEI ändert die "Blood Rule" - TIR kritisiert diese Entscheidung
Die FEI-Generalversammlung stimmte heute mit 82 zu 20 Stimmen für eine Änderung der sogenannten "Blood Rule" im Springsport. Damit hat die Internationale Reiterliche Vereinigung eine dem Tierwohl dienende Regelung stark abgeschwächt. War sichtbares Blut am Pferd bisher ein ausreichender Grund für eine Disqualifikation, wird ab Januar 2026 vor Ort geprüft, ob das Pferd trotz Verletzung als "fit to compete", also als wettbewerbsfähig gilt. Aus Sicht der TIR ist dieser Entscheid ein Rückschritt.
07.11.2025
Im Vorfeld der FEI-Abstimmung zur "Blood Rule" durfte die TIR eine ausführliche Einschätzung für The Carrot Post erstellen. Sie ist hier im Original in Englisch und nachfolgend auf Deutsch wiedergegeben:
Es freut uns, dass Sie sich der "Blood Rule" als wichtigem Tierschutzthema annehmen. Aus Sicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) ist die aktuelle Regelung zwingend beizubehalten, um das Wohlergehen von Pferden bei der Nutzung im Wettkampf besser zu garantieren.
Jede Blutung stellt eine Verletzung des Körpers und ein Alarmsignal dar. Im Bereich des Pferdesports besteht ein hohes Risiko für tierschutzrelevante Handlungen. Deshalb sollten Blutungen stets ernst genommen werden. Eine rechtliche Einschätzung und generelle Aussage zu Blut am Pferd gestalten sich jedoch schwierig. Eine Blutung allein muss nicht per se als Verstoss gegen die Tierschutzgesetzgebung gelten. Es kommt auf die genauen Umstände an und macht eventuell eine Untersuchung notwendig. Diese sollte bei einer unklaren Ursache zwingend stattfinden. Sofern sie im Rahmen eines Wettbewerbs nicht durchführbar ist, beispielsweise wie von Ihnen genannt, weil kein Maulgatter verfügbar ist, ist die Prüfung abzubrechen und das Pferd tierärztlich zu kontrollieren.
Maulverletzungen sind gemäss Turniertierarzt Dr. Witzmann jedoch immer auf menschliche Einwirkung zurückzuführen und wären somit tierschutzrechtlich relevant:
"Blut bzw. blutiger Schaum am Pferdemaul wird häufig mit der nicht nachgewiesenen „Alibi-Ursache“, das Pferd habe sich in die Zunge oder Lippe gebissen, begründet. Über den Zungenbiss während des Reitens oder Fahrens wird weder in den zahlreichen TTA-Berichten noch in Umfragen bei TTA-Fortbildungen berichtet, auch eigene Erfahrungen auf nationalen und internationalen Turnieren können diese „Selbstverletzung“ nicht bestätigen; sämtliche Läsionen im Maul, inklusive an der Zunge, sind auf Fremdeinwirkung durch den Menschen zurückzuführen." Quelle
Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG stellt das Misshandeln von Tieren als Tierquälerei unter Strafe. Als Misshandlung gilt jedes Verhalten, mit dem einem Tier Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängste von einer gewissen Erheblichkeit zugefügt werden. Die Bestimmung steht somit in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Grundsatz von Art. 4 Abs. 2 TSchG, der das ungerechtfertigte Zufügen entsprechender Belastungen – die aus strafrechtlicher Sicht alle als gleichwertig einzustufen sind – untersagt. Ein tatbestandsmässiges Verhalten liegt nicht nur bei physischen Einwirkungen, sondern auch beim Herbeiführen von Angst- und Schreckzuständen vor. Eine fortdauernde oder sich wiederholende Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängsten ist nicht notwendig. Auch muss die betreffende Handlung nicht ausgesprochen roh oder "quälerisch" sein. Die Beeinträchtigung des tierlichen Wohlergehens hat aber eine gewisse Intensität aufzuweisen und damit über ein schlichtes Unbehagen hinauszugehen. Es genügt somit, wenn die Belastung einmalig, jedoch beträchtlich ist und das Wohlergehen eines Tieres dadurch erheblich eingeschränkt wird.
Bei Pferden wird der Tatbestand bspw. durch das Schlagen oder Treten des Tieres, das unerlaubte Züchtigen, das Zufügen körperlicher Schmerzen, die zu psychischen Traumata führen können, oder die Teilnahme an Wettkämpfen mit Tieren, denen die Beinnerven durchtrennt oder unempfindlich gemacht wurden, erfüllt. Ebenfalls als tierquälerisch einzustufen ist der exzessive Einsatz von Zügelhilfen, bei denen das Gebiss auf den zahnfreien, äusserst empfindlichen Unterkiefer gedrückt wird, was insbesondere bei zu scharfen, nicht passenden, abgenutzten oder fehlerhaft eingeschnallten Gebissen zu Blutungen des Zahnfleischs, starken Verletzungen von Lippen, Zunge oder Gaumen oder zu Kieferfrakturen führen kann, die alle höchst schmerzhaft sind.
Leider gibt es zu Blut am Pferd während Pferdesportanlässen keine eindeutige Rechtsprechung. In der Schweiz ist uns nur gerade ein Fall bekannt, der ein blutendes Pferd während einer Prüfung betrifft. Während des CSIO St.Gallen 2016 wies "Clooney", das Pferd von Martin Fuchs, eine blutige Schramme im Flankenbereich auf. Diese wurde mutmasslich durch starken Sporeneinsatz verursacht. Die Untersuchung wurde eingestellt, da die Verletzung nicht erheblich genug war:
"Laut der St. Galler Staatsanwaltschaft ist der Tatbestand Misshandlung/Tierquälerei aber nicht erfüllt. Aufgrund der "geringfügig blutenden Verletzung" sei nicht erstellt, dass das Pferd habe leiden müssen - dazu sei diese "Verletzung" zu geringfügig gewesen." Quelle
Seit 2003 erhält die TIR Einsicht in sämtliche, dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV gemeldeten Tierschutzstrafverfahren und erfasst diese in anonymisierter Form in einer eigenen Datenbank. Diese Fälle können auf unserer Website eingesehen werden. In der Tierschutzstraffall-Datenbank sind drei weitere Fälle blutender Pferde erfasst. Diese Tiere wurden jedoch im Rahmen eines Trainings verletzt:
Generell darf gesagt werden, dass sich die Ahndung von Tierschutzverstössen im Pferdesport schwierig gestaltet. Durch die Anwendung von druck- und schmerzerzeugenden Hilfsmitteln und aversiven Trainingsmethoden kann davon ausgegangen werden, dass es häufig zu Verstössen gegen die Tierschutzgesetzgebung kommt. Allerdings zeigen sich die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz regelmässig zurückhaltend. Hierzulande werden kaum je Strafverfahren wegen Tierquälerei im Pferdesport durchgeführt. Dies legt den Schluss nahe, dass das Tierschutzrecht im Bereich des Pferdesports sowohl von den Sportverbänden als auch von den Strafverfolgungsbehörden nicht konsequent umgesetzt wird. Wir sehen in der aktuellen Situation ein klares Vollzugsproblem. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass bereits bestehende verbandsinterne Regeln zum Schutz der Pferde nicht aufgeweicht werden.