Strafverfahren gegen Springreiter Martin Fuchs eingestellt – aus Sicht der TIR zu Unrecht
Im Juli 2022 hat die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) bei den österreichischen Behörden eine Tierschutzmeldung gegen den Springreiter Martin Fuchs eingereicht. Dieser hatte im Rahmen eines Turniers in Linz (Oberösterreich) mehrfach mit der Gerte gegen den Kopf- und Halsbereich seines Pferdes Viper Z geschlagen. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat daraufhin ein Strafverfahren gegen Martin Fuchs eröffnet, dieses nun aber eingestellt. Die TIR ist enttäuscht über den Verfahrensausgang und kritisiert die Argumentation der Strafverfolgungsbehörden.
14.11.2022
Nach Rücksprache mit der Tierschutzombudsstelle des Landes Oberösterreich sowie mit dem Österreichischen Tierschutzverein reichte die TIR im Juli 2022 eine entsprechende Meldung über den Tierschutzverstoss bei den zuständigen Behörden ein. Auf Anfrage der TIR wurde ihr nun durch die Staatsanwaltschaft Linz mitgeteilt, dass das Verfahren gegen Martin Fuchs inzwischen eingestellt worden ist. Die Staatsanwaltschaft bestätigt zwar, dass auf dem Video ersichtlich sei, dass Martin Fuchs drei bis vier Mal mit der Gerte auf den Halsbereich des Tieres einschlage, dies jedoch im Zuge der Absolvierung des Turniers geschehe. Weiter sei eine "rohe Misshandlung" nicht nachweisbar und fehle es an einer für das Tatbestandsmerkmal des "unnötigen Quälens" erforderlichen Zeitdauer. Deshalb sei in dubio pro reo im vorliegenden Fall nicht von einer Tierquälerei auszugehen.
Für die TIR ist die Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar. Als besonders störend erachtet die TIR das Argument der Behörde, dass die zu beurteilende Handlung im Rahmen eines Turniers vorgenommen worden sei. Das Tierschutzrecht ist selbstverständlich auch an Sportveranstaltungen kompromisslos einzuhalten. Dass weder die Turnier-Richter vor Ort noch der Österreichische Pferdesportverband auf den Vorfall reagiert haben und die Fédération Équestre Internationale (FEI) als internationale Dachorganisation des Pferdesports die Handlung von Martin Fuchs als reglementskonform beurteilt hat, spielt für die strafrechtliche Beurteilung eines möglichen Tierschutzverstosses keine Rolle. Die FEI beurteilt als Sportverband mutmassliche Tierschutzfälle gestützt auf die Reglemente aus Verbandssicht. Sie ist jedoch keine Instanz, die prüft, ob ein strafrechtlich relevanter Tierschutzverstoss vorliegt. Die Einschätzung der FEI hat für die tierschutzstrafrechtliche Beurteilung somit keine Relevanz.
Gemäss Schweizer Tierschutzstrafrecht liegt eine Misshandlung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG vor, wenn einem Tier durch eine Handlung Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängste von einer gewissen Intensität zugefügt werden. Eine Misshandlung kann dementsprechend auch dann vorliegen, wenn die Schläge beim Tier nicht zu Blutungen oder offenen Wunden führen. Eine fortdauernde oder sich wiederholende Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängsten ist ebenfalls nicht notwendig. Für die Erfüllung des Tatbestands kann auch das einmalige Verursachen einer Belastung ausreichen. Somit würde die Handlung von Martin Fuchs den Tatbestand der Misshandlung gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG erfüllen. Auch gemäss österreichischem Recht wird als Misshandlung (§ 222 StGB/AT) jedenfalls ein gegen den Körper des Tieres gerichteter erheblicher Angriff, der sich nachteilig auf das Wohlbefinden des Tieres auswirkt, qualifiziert. Eine einmalige und kurze Schmerzzufügung gilt für die Erfüllung des Tatbestands dabei anerkanntermassen als ausreichend, die Zufügung von Verletzungen ist nicht erforderlich.
Nicht zum ersten Mal hat Martin Fuchs mit seinem Verhalten auf dem Turnierplatz auf sich aufmerksam gemacht: 2017 reichte der Thurgauer Tierschutzverband Strafanzeige ein, als sein Pferd Clooney mutmasslich nach einem Sporeneinsatz blutete und 2019 wurde auf Video festgehalten, wie Martin Fuchs Clooney nach dem absolvierten Parcours zweimal mit der Gerte schlägt. Im Gegensatz zu Martin Fuchs wurde Springreiter Günter Wintersberger im Juni 2022 wegen Verstosses gegen § 2011 der Österreichischen Turnierordnung (ÖTO), konkret wegen Schädigung des Ansehens des Pferdesports, unreiterlichen oder unsportlichen Benehmens sowie nicht pferdegerechter Behandlung des Pferdes vom Österreichischen Pferdesportverband (OEPS) für drei Monate gesperrt, weil er sein Pferd im Rahmen eines Turniers mehrfach mit der Gerte geschlagen hatte.
Der Umstand, dass die FEI wie auch der Schweizer Verband für Pferdesport (SVPS) das Verhalten von Martin Fuchs in Linz als reglementskonform einstufen, ist für die strafrechtliche Beurteilung zwar nicht relevant, deutet aber auf ein grundsätzliches Problem im Pferdesport hin, auf das die TIR seit Jahren hinweist: Aversive Trainingsmethoden sowie die Anwendung von Gewalt als Korrekturmassnahme scheinen im Pferdesport noch immer breit akzeptiert zu sein. In keinem anderen Sport mit Tieren werden derart viele Hilfsmittel verwendet wie im Pferdesport, was ein erhebliches Risiko von Tierschutzverstössen birgt. Pferde sind dem Menschen kräftemässig überlegen, was nicht selten mit übertriebener Härte kompensiert wird. Pferde haben keinen Schmerzlaut und können ihr Unwohlsein nur durch Verhalten wie Maulsperren, Schweifschlagen, Kopfwerfen und im äussersten Fall durch Steigen etc. äussern. Diese Zeichen von Unbehagen werden oft als Ungehorsam interpretiert, durch Strafen sanktioniert und durch Hilfsmittel unterbunden. Im Sport ist das Risiko der übermässigen Instrumentalisierung des Pferdes hoch, da Ehrgeiz schnell zu Abstrichen beim Tierwohl führen kann. Trotz dieses erheblichen Gefährdungspotenzials werden in der Schweiz kaum je Strafverfahren wegen Tierquälerei im Pferdesport durchgeführt. Dies legt den Schluss nahe, dass das Tierschutzrecht im Bereich des Pferdesports sowohl von den Sportverbänden wie auch von den Strafverfolgungsbehörden nicht konsequent umgesetzt wird. Diese Annahme wird von einer an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich durchgeführten Untersuchung aus dem Jahre 2019 bestätigt.
Gerade die Vorbildfunktion der Verbände und erfolgreicher Reiter im Spitzensport im Umgang mit ihren "Sportpartnern", den Pferden, wäre von erheblicher Bedeutung, um einen nachhaltig respektvollen und gewaltfreien Umgang mit Pferden durchzusetzen – auch im Bereich des Freizeitreitens. Das Schlagen aus Frust etwa über ein abgeworfenes Hindernis ist ein Übergriff, der nicht geduldet werden darf. Weil Pferde stumm leiden, wird die TIR weiterhin ihre Stimme erheben, um diesen oftmals unverstandenen Tieren zu ihrem Recht zu verhelfen.