Newsletter TIR-Bibliothek: TIR präsentiert ersten Lesetipp 2022
Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) stellt mit ihrem ersten diesjährigen Bibliotheksnewsletter wiederum ausgewählte und aktuelle Neuzugänge vor. Präsentiert werden dabei Bücher, Artikel und Filmbeiträge zu tierrelevanten Themen. Im Fokus der aktuellen Ausgabe steht die Geschichte der Algen, ihr Nutzen für uns Menschen und die hohe Wirksamkeit für die Senkung der CO2-Emissionen.
25.02.2022
Die Folgen der Klimaerwärmung werden immer deutlicher: Überschwemmungen, Dürreperioden, Wirbelstürme, Gletscherschwund oder die stetige Eisschmelze dominieren unser Weltbild. Bilder von Eisbären auf einer schwimmenden Eisscholle, losgelöst vom permanenten Packeis, bewegen und regen zum Nachdenken an. Die Klimaerwärmung wird auf diese Weise sichtbarer und lässt uns erahnen, was für weitreichende Konsequenzen sie noch haben wird.
Das im aktuellen Newsletter vorgestellte Buch "Slime — How Algae Created Us, Plague Us, and Just Might Save Us" setzt sich neben der Geschichte und den einzigartigen Eigenschaften der Algen auch mit ihrem potentiellen Nutzen im Kampf gegen den Klimawandel auseinander. Ruth Kassinger beschreibt nicht nur wie wichtig Algen sind, sondern auch, dass sie – gezielt eingesetzt und gefördert – uns Menschen aus der Klimakrise helfen könnten. Bereits ein einziger Schluck Salzwasser enthält mehrere Tausend verschiedene Algen, die die essentielle Nahrung von mikroskopisch kleinen Tieren und damit die Grundpfeiler der marinen Nahrungskette darstellen.
Ein Absterben aller Algen hätte deshalb den Hungertod sämtlicher Meerestiere zur Folge. Ohne Algen hätte sich vor 500 Millionen Jahren das Leben an Land gar nicht erst evolvieren können. Denn Algen fungieren nicht nur als Nahrungsquelle für viele Lebewesen, sondern sie sind auch dafür verantwortlich, dass unsere Erde sich nicht zu stark aufheizt und überhaupt erst bewohnbar ist. Dies lässt sich indessen damit erklären, dass die abgestorbenen Algen mit ihren kohlestoffhaltigen Hülsen sich für sehr lange Zeit im Sediment des Meeresbodens ablagern und dabei Kohlendioxid aus der Atmosphäre in einen Langzeitspeicher überführen. Dadurch verhindern sie, dass unser Planet zu einem unerträglichen Treibhaus wird.
Das Buch stellt sodann verschiedene Projekte vor, bei denen Algen gezüchtet werden, etwa um Biotreibstoff für Fahrzeuge oder kompostierbaren Plastik für Verpackungen herzustellen. Damit soll in erster Linie den verschiedenen Emissionen entgegengewirkt werden. Als Beispiel ist das amerikanische Unternehmen Vivobarefoot zu nennen, das Schuhe herstellt, die ihre Schaumstoffkomponenten durch Algen ersetzen oder diese sogar ganzheitlich aus Algen produzieren, so etwa der "Ultra III Bloom-Schuh". Weitere Produkte aus Algen sind beispielsweise Standup Paddle Boards oder Surfboards
Extrakte aus Algen sind ausserdem schon seit einigen Jahren in unseren
Nahrungs- und Kosmetikprodukten zu finden; sie dienen etwa bei Shampoos,
Zahnpasta oder Joghurts als Texturgeber oder Geliermittel.
Die Süsswasser Alge Chlorella oder die Nori-Algen enthalten ferner das sonst nur in tierischen Produkten enthaltene Vitamin B12. Allerdings variieren die entsprechenden Mengen stark, was mit der unterschiedlichen Herkunft – Zucht- oder Wildwasser – zu erklären sein dürfte. Es ist jedoch zu beachten, dass Algen aus Wildwasservorkommen oftmals Schadstoffe enthalten, die auf industrielle Abwässer, landwirtschaftliche Düngemittel oder Müll-Abbauprodukte zurückzuführen sind. Leider fördern diese Schadstoffe aber auch das unkontrollierte beziehungsweise schädliche Algenwachstum. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Algenblüte oder Algenpest, da die Algen toxische Substanzen produzieren, die bei Mensch und Tier zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen können.
Zuchtanlagen für Algen, die die Lebensmittel- oder die Pharmabranche beliefern, gibt es auf der ganzen Welt. Eine der grössten Algenfarmen (Algomed) Europas befindet sich in Deutschland. Chlorella-Algen wachsen dabei in einem geschlossenen, vor Schadstoffen geschützten 500 Kilometer langen Röhrensystem. Ein weiteres Projekt im Bereich der Algennutzung stellt die sogenannte Eisendüngung dar, die die Senkung des Kohlendioxids bezweckt, indem gezielt eisenarme Gebiete im Ozean mit Eisen gedüngt werden, was wiederum das Algenwachstum fördert.
Würden wir im Rahmen unserer Ernährung und jener der Nutztiere vermehrt auf Algen setzen, hätte dies aus klimatechnischer Sicht zweifellos positive Auswirkungen. Dies bestätigt auch der im aktuellen Mondberge-Magazin erschienene Artikel "Algen — Rohstoff der Zukunft?", gemäss dem für ein Kilogramm Eiweiss auf Spirulina-Basis 50-mal weniger Zuchtfläche und 300-mal weniger Wasser gebraucht wird als für ein Kilogramm aus Rindfleisch gewonnenem Eiweiss.
Damit wir auch weiterhin von den Fähigkeiten der Algen profitieren können, ist die drastische Reduktion des CO2-Austosses unerlässlich. Zum grössten Emissionsverursacher gehört dabei noch immer die Rodung des Regenwaldes. Daher sind Schutzprojekte zur Rettung der sogenannten Lunge der Welt zwingend notwendig. Indem wir Nahrungs- und Kosmetikprodukte ohne Palmöl kaufen, soweit möglich auf Flugreisen verzichten, Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen und den Fleischkonsum stark reduzieren, vermögen wir alle einen Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen zu leisten.
Ruth Kassinger ist Autorin diverser wissenschaftlicher und historischer Bücher. Sie lebt in den USA und verfügt über Studienabschlüsse an der Yale und der Johns Hopkins University.
Das vorliegende Buch "Slime — How Algae Created Us, Plague Us, and Just Might Save Us" von Ruth Kassinger ist im Handel erhältlich und kann nach Voranmeldung während der Öffnungszeiten auch in der TIR-Bibliothek eingesehen werden, wo Lese- und Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Aktuelle Neuzugänge in der TIR-Bibliothek werden jeweils im Newsletter TIR-Bibliothek vorgestellt.
Weitere Informationen
- Buch: "Slime — How Algae Created Us, Plague Us, and Just Might Save Us" von Ruth Kassinger
- Buchtipp: "Der kritische Agrarbericht 2021 - Schwerpunkt: Welt im Fieber – Klima & Wandel" von AgrarBündnis e.V. (Hrsg.)
- Buchtipp: "Über Leben und Natur: Verstehen, was biologische Vielfalt für unser Leben bedeutet" von Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg
- Buchtipp: "Das Verstummen der Natur" von Volker Angres, Claus-Peter Hutter
- Artikel: "Algen — Rohstoff der Zukunft?" von Monika Sax
- Aktuelle Neuzugänge in der TIR-Bibliothek: Newsletter TIR-Bibliothek
Algen erobern die Welt

Buchcover "Slime" von Ruth Kassinger
