TIR unterstützt basel-städtische Volksinitiative "Grundrechte für Primaten"
Am 13. Februar 2022 wird in Basel-Stadt über die durch die Tierschutzorganisation Sentience lancierte Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" abgestimmt. Die TIR unterstützt die Initiative, weil sie einen zukunftsweisenden Anstoss für die tatsächliche Respektierung der Würde unserer nächsten Verwandten gibt. Die Unterstützung der kantonalen Volksinitiative steht im Einklang mit den Bestrebungen der TIR für eine kontinuierliche Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung.
27.01.2022
Auch nichtmenschliche Primaten dürfen – unter Einhaltung der Mindestanforderungen der Tierschutzgesetzgebung – genutzt und getötet werden. Ihre Interessen werden grundsätzlich jenen von Menschen untergeordnet, obwohl sie sich in ihrem fundamentalen Interesse, Leben zu dürfen und in ihrer physischen und psychischen Unversehrtheit respektiert zu werden, nicht grundlegend von diesen unterscheiden.
Bei einer Annahme der kantonalen Volksinitiative wäre ein Paradigmenwechsel eingeläutet: Primaten wären nicht mehr lediglich Rechtsobjekte und damit Vermögenswerte, über die der Mensch – vorbehältlich tierschutzrechtlicher Einschränkungen – weitgehend frei verfügen darf. Sie hätten vielmehr individuelle, durchsetzbare Rechte und damit die Garantie eines unmittelbaren und einklagbaren Schutzanspruchs gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstalten des Kantons Basel-Stadt, wie bspw. die Universität Basel. Der Kanton wäre wiederum verpflichtet die geforderten Grundrechte von Primaten aktiv zu schützen, u.a. durch die Einführung einer rechtlichen Vertretung für Primaten. Die geforderten Rechte würden dabei das elementare Interesse von Primaten auf Leben und Unversehrtheit schützen. Demgegenüber sind Grundrechte, die in Bezug auf Primaten unnütz sind, wie bspw. die Wirtschafts- oder Religionsfreiheit, nicht Gegenstand der Initiative.
Jeder Eingriff in die Grundrechte nichtmenschlicher Primaten müsste den strengen Voraussetzungen von § 13 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt – analog Art. 36 der Bundesverfassung, (BV) – standhalten: Der Eingriff wäre nur zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt ist, verhältnismässig ist und den Kerngehalt des Grundrechts nicht verletzt. Der Kerngehalt der durch die Initiative geforderten Grundrechte wäre durch Lehre und Rechtsprechung im Detail zu definieren. Unseres Erachtens müsste bspw. die Euthanasie schwer leidender Primaten als mit dem Kerngehalt des Primatengrundrechts auf Leben vereinbar betrachtet werden.
Hingegen schloss das Bundesgericht eine
indirekte Drittwirkung analog zu Art. 35 Abs. 3 BV nicht aus, etwa indem
Behörden ihr Ermessen primatengrundrechtskonform ausüben müssten. Wie
dies konkret ausgestaltet würde, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nicht
abschliessend bestimmen.
Die praktischen Konsequenzen der
Initiative "Grundrechte für Primaten" wären also begrenzt. Es ist jedoch
nicht ausgeschlossen, dass bspw. die Universität Basel als
öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons Basel-Stadt in Zukunft
entscheidet, mit einem Schweregrad 1-3 belastete Primatenversuche
durchzuführen. Eine entsprechende Entwicklung erscheint nicht zuletzt
aufgrund der pandemiebedingten weltweiten Zunahme invasiver
Primatenversuche nicht unrealistisch. So räumte auch der
basel-städtische Regierungsrat in seinem Bericht vom 13. Dezember 2017
über die rechtliche Zulässigkeit der Primateninitiative selbst ein, es
sei "unwahrscheinlich, dass gänzlich auf Primatenversuche verzichtet
werden kann, ist es doch jederzeit möglich, dass wieder ein Bedarf an
der Forschung mit Primaten bestehen könnte…". Primatengrundrechte hätten
somit in ihrer Abwehrfunktion gegenüber dem Staat praktische Wirkung.
Aber auch die Symbolkraft der Initiative ist nicht zu unterschätzen. Grundrechte sind nicht nur einklagbare Abwehrrechte gegenüber dem Staat, sondern auch Ausdruck einer Werteordnung. Es ist anerkannt, dass Grundrechte als objektive Grundsatznormen die ganze Rechtsordnung durchdringen und damit das gesamte Zusammenleben in der Gesellschaft bestimmen sollen. Eine Annahme der Primateninitiative würde einen Paradigmenwechsel bedeuten: Weg vom Nutzungsparadigma hin zu Rechtssubjektivität für nichtmenschliche Primaten. Deshalb empfiehlt die TIR der basel-städtischen Bevölkerung ein Ja zur Initiative "Grundrechte für Primaten".