Einzelhaltung von soziallebenden Kleintieren ist tierschutzwidrig
Nebst Hunden und Katzen wurden in Schweizer Haushalten im Jahr 2020 auch ca. 260'000 Nagetiere und knapp 390'000 Kaninchen und Hasen gehalten. Oftmals werden die Kleintiere in der Annahme angeschafft, ihre Haltung verursache nur geringe Kosten und sei weniger zeitaufwendig und anspruchsvoll. Dabei handelt es sich jedoch um einen Irrtum, denn auch diese Tiere haben über ihre Grundbedürfnisse wie ausreichende Versorgung hinaus artenspezifische Ansprüche. Jeder sollte sich vor der Anschaffung eines Heimtieres eingehend mit dessen Bedürfnissen und den gesetzlichen Vorschriften auseinandersetzen. Nicht selten wird dabei das tierschutzrechtliche Verbot der Einzelhaltung soziallebender Tiere übersehen oder übergangen.
01.09.2021
Tieren soziallebender Arten sind gemäss Art. 13 der Tierschutzverordnung (TSchV) angemessene Sozialkontakte mit Artgenossen zu ermöglichen. Um welche Tiere es sich dabei konkret handelt, legen die weiterführenden Vorschriften der TSchV fest. So dürfen beispielsweise Meerschweinchen, Mäuse, Ratten, Degus, Chinchillas und Frettchen in keinem Fall einzeln gehalten werden. Ihnen muss stets der direkte Kontakt zu mindestens einem Artgenossen möglich sein. Ein Mensch kann diesen Kontakt nicht ersetzen. Die Gehegegrösse muss an die Anzahl der Tiere angepasst werden, sodass sich jedes Tier nach Bedarf von seinen Mitbewohnern zurückziehen kann.
Stirbt ein Tier und lässt es einen Artgenossen allein zurück, sollte das verstorbene Tier baldmöglichst ersetzt werden, wobei auf eine behutsame Angewöhnung zu achten ist. Um Schwierigkeiten im Falle einer Unverträglichkeit zu vermeiden, empfiehlt sich eine vorgängige Vereinbarung beim Händler oder Züchter, sodass das Tier nötigenfalls ausgetauscht werden kann. Möchte man die Tierhaltung aufgeben, sollte nach einer Möglichkeit gesucht werden, ein Tier auszuleihen und dieses nach dem Ableben des letzten Nagers wieder zurückzugeben. Werden verschiedene Nagerarten, die sich untereinander nicht verständigen können, gemeinsam in einem Gehege gehalten, müssen von jeder Tierart mindestens zwei Tiere vorhanden sein.
Werden soziallebende Tiere dennoch einzeln gehalten, liegt ein Tierschutzverstoss vor und gegen die Tierhalterin oder den Tierhalter kann ein Strafverfahren eingeleitet werden. Für die vorschriftswidrige Haltung des Tieres droht – zumindest theoretisch – eine Busse von bis zu 20'000 Franken. Handelt es sich um einen schwerwiegenden Fall, könnte gar eine Vernachlässigung des betroffenen Tieres vorliegen, die mit einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe gebüsst werden kann.
Weiter muss die tierhaltende Person mit verwaltungsrechtlichen
Massnahmen seitens des Veterinäramtes rechnen. Es können sodann Auflagen
oder sogar die Beschlagnahme des Heimtieres angeordnet werden. Die
Unkenntnis über die gesetzlichen Vorschriften schützt den Tierhalter
oder die Tierhalterin nicht vor den rechtlichen Konsequenzen. Die Einzelhaltung ist bis heute leider nicht für
alle Tiere mit ausgeprägtem Sozialverhalten verboten. So dürfen
Kaninchen, bei denen es sich ebenfalls um sehr gesellige Tiere handelt,
nach Ablauf der achten Lebenswoche noch immer einzeln gehalten werden.
Nach Ansicht der TIR wird damit ihr elementares Bedürfnis nach Kontakt
zu Artgenossen grob missachtet. Begründet wird die klar
tierschutzwidrige Einzelhaltung mit den erhöhten Anforderungen an Wissen
und Geduld, die die Gruppenhaltung von Kaninchen an die tierhaltende
Person stellt. Der zusätzliche Aufwand zur Umsetzung einer artgerechten
Gruppenhaltung ist Kaninchenhaltern aber durchaus zumutbar. Der
gesetzlich vorgeschriebenen Sozialkontakt für Kaninchen gilt bereits
dann als ausreichend gewährleistet, wenn die Tiere andere Kaninchen im
Raum riechen und hören können.