Eierkonsum auf neuem Höchststand – Tierwohl bleibt auf der Strecke
Gemäss den Erhebungen des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) wurden
noch nie so viele Eier produziert und verbraucht wie im Jahr 2020. Mit
Blick auf Wohlergehen und Würde von Tieren ist das problematisch: Nicht
nur werden den Hühnern hierfür Höchstleistungen abverlangt und sie
bereits nach kurzer Zeit getötet. Auch das massenhafte Vergasen der
männlichen Tiere aus der Legehennenzucht ist weiterhin gängige Praxis.
02.04.2021
Die weitverbreitete Ansicht, dass das Wohlergehen der Hühner hierzulande aufgrund der vergleichsweise strengen Schweizer Tierschutzgesetzgebung gesichert sei, entspricht leider nicht der Realität. In der industriellen Eierproduktion sind Legehennen nämlich auch in den meisten Freiland- und sogar Biobetrieben nach 12 bis 16 Monaten aufgrund ihrer auf Hochleistung gezüchteten Legeaktivität ausgelaugt und krank. Zudem kommen sie zu diesem Zeitpunkt in die Mauser, während der die Legeleistung zurückgeht. Wirtschaftlich gesehen verlieren sie in dieser Zeit stark an Rentabilität, weshalb die Tiere entsorgt und durch Jungtiere ersetzt werden.
Auch werden im Rahmen der Eierproduktion nach wie vor allein in der Schweiz jedes Jahr mehr als drei Millionen männliche Küken, Tendenz zunehmend, an ihrem ersten Lebenstag als "industrieller Abfall" vernichtet, weil sie keine Eier legen und für die Produzenten somit wertlos sind. Da die einseitig auf höchste Legeleistung gezüchteten Tiere nur wenig Fleisch ansetzen, sind sie auch für die Mast nicht interessant. Das Töten durch Schreddern (auch "Homogenisieren" genannt) wurde per 1. Januar 2020 in der Schweiz verboten, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass verstümmelte Tiere überleben und in der Folge qualvoll verenden. Weiterhin erlaubt bleibt hingegen das hinsichtlich seiner Tierschutzkonformität ebenfalls höchst umstrittene Vergasen der Tiere. Es handelt sich hierbei um die hierzulande am häufigsten angewandte Methode zum Töten von Küken.
Eine Motion für ein Verbot der routinemässigen Tötung männlicher Küken
ist im Nationalrat noch hängig. Der Bundesrat beantragt deren Ablehnung
mit der fraglichen Begründung, dass die Aufzucht der Bruderhähne als
Mastpoulets nicht rentabel sei und die Brütereien bei einem
entsprechenden Verbot des Kükentötens deshalb ins Ausland verlegt
würden.
Dabei verweist der Bundesrat auf die alternativen Methoden zur Geschlechterbestimmung und Vernichtung der "männlichen" Eier vor dem Schlüpfen und erachtet es als sinnvoll, das heutige System der Tötung der lebenden Tiere beizubehalten, bis die neuen Methoden der Geschlechterbestimmung im Ei breit einsetzbar sind. Die Argumentation des Bundesrates ist aus Tierschutzsicht nicht haltbar, weil die den betroffenen Tieren zugefügten Belastungen durch die vorgebrachten rein ökonomischen Interessen bei weitem nicht gerechtfertigt werden können. Es handelt sich hierbei um eine systematische Missachtung der Tierwürde.
Auch den Tieren in der Geflügelfleischherstellung ergeht es nicht besser. Ein 2019 von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) veröffentlichtes Gutachten zeigt auf, dass Masthuhnhaltungen unter dem Tierwohlprogramm "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS)" in krasser Weise gegen die Grundsätze des Tierschutzgesetzes verstossen – und doch legal sind. In ihrem nur rund 35 Tage dauernden Leben erleiden die Tiere aufgrund der einseitigen Zuchtausprägung und der Haltungsbedingungen schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Atembeschwerden, Fussballenverätzungen und Beindeformationen. In den Hallen mit bis zu 18'000 Tieren ist eine angemessene Betreuung des Einzeltieres nicht mehr möglich. Obschon Tierhaltende gesetzlich verpflichtet sind, für jedes einzelne Tier zu sorgen, geht das Individuum in solchen Haltungssystemen in der Masse unter. Etliche Tiere versterben im Laufe der Mast qualvoll zwischen ihren Artgenossen. Ihr Tod ist mit einer Mortalitätsrate von bis zu vier Prozent in diesem System einkalkuliert.
Obwohl "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme" nicht einmal die grundlegendsten Bedürfnisse von Hühnern zu befriedigen vermögen, erhalten BTS-Betriebe staatliche Fördermittel für besondere Tierwohlleistungen. Hinzu kommt, dass der Begriff BTS bei der Vermarktung sogar zur Positivdeklaration entsprechender Produkte verwendet werden darf. Konsumentinnen und Konsumenten bezahlen im Glauben, besonders tierfreundlich hergestellte Fleischwaren zu erwerben, einen höheren Preis und werden so in die Irre geführt.
Der Konsum tierischer Produkte wie etwa Fleisch, Eier, Milch und Honig ist zwangsläufig mit Kompromissen zulasten des Tierwohls verbunden. Wie weit diese gehen, bestimmt meist der Preis. Es ist an der Zeit umzudenken und den viel gelobten Schweizer Mindeststandard deutlich anzuheben – er hält einer Prüfung der Achtung der Tierwürde nämlich in keiner Weise stand. Die TIR setzt sich für Verbesserungen des rechtlichen Schutzes von Tieren und für einen konsequenten Vollzug ein. Sie ist aber auch bestrebt, Konsumentinnen und Konsumenten über die Lebensbedingungen der Tiere aufzuklären und ihnen so eine fundierte Entscheidung in Bezug auf den Kauf tierischer Produkte zu ermöglichen.