Kantonale Leinenpflichten während der Setz- und Brutzeit
Viele einheimische Wildtiere pflanzen sich in den Frühlingsmonaten fort. Während dieser Brut- beziehungsweise Setzzeit werden Hundehaltende in einigen Kantonen dazu verpflichtet, ihre Hunde im Wald an der Leine zu führen. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) bittet alle Hundehaltenden, dafür zu sorgen, dass ihre Hunde die Wildtiere weder stören noch jagen – unabhängig davon, ob in ihrem Kanton eine Leinenpflicht besteht.
29.03.2019
Jeder Kanton setzt die Leinenpflicht für die Brut- und Setzzeit selber fest
So beispielsweise müssen in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Solothurn sowie seit 2014 auch in Luzern Hunde vom 1. April bis zum 31. Juli in Wäldern und an Waldrändern an der Leine geführt werden.
Neuenburg und Genf sehen für die Leinenpflicht eine etwas kürzere Zeitspanne vor. Während Hunde in den Neuenburger Wäldern vom 15. April bis zum 30. Juni angeleint werden müssen, besteht eine solche Pflicht in Genf vom 1. April bis zum 15. Juli. Auch die Schaffhauser Hundegesetzgebung sieht während der Setz- und Brutzeit eine Leinenpflicht im Wald und in dessen unmittelbarer Nähe vor. In Glarus sind Hunde in den Wäldern und am Waldrand sogar das ganze Jahr über anzuleinen, wobei Jagd- und Gebrauchshunde von dieser Regelung ausgenommen sind.
In Ob- und Nidwalden gilt in den Wildruhgebieten vom 1. beziehungsweise 15. Dezember bis zum 30. April eine generelle Leinenpflicht, die sich in manchen Gebieten bis in die Sommermonate erstreckt. In Nidwalden sind die Hunde in den Wildruhegebieten Lauelenegg-Nätschen, Arven-Scheligsee und Scheidegg bis zum 15. Juni und in Obwalden in Schlierengrat, Nüwenalpwald, Schattenberg, Rosalp/Gerlisalp/Gemsgrube, Bärengraben, Teufimatt und Ross-/Dälenboden bis zum 15. Juli an der Leine zu führen. Keine generelle, sondern eine auf einzelne ausgeschilderte Gebiete beschränkte Leinenpflicht besteht im Kanton Zürich. In Wäldern und an Waldrändern sowie bei Dunkelheit müssen Hunde hier zudem auf kurzer Distanz gehalten werden und stets abrufbar sein.
Gibt es Vorschriften in Bezug auf die Leine?
Da die Gesetze auf das Wohl der Wildtiere ausgerichtet sind, spielt die Länge oder Art der Leine keine Rolle. Auch die Verwendung einer langen Schlepp- oder Flexileine ist zulässig, solange der Hundehalter diese festhält und den Hund damit kontrollieren kann. Auf diese Art und Weise kann den Hunden trotz Leinenpflicht ein gewisser Bewegungsfreiraum geboten werden.
Was passiert, wenn ich mich nicht an die Leinenpflicht halte?
Der Verstoss gegen die gesetzlich auferlegten Leinenpflichten stellt eine strafrechtliche Übertretung dar, die mit einer Busse bestraft wird – und zwar unabhängig davon, ob der Hund tatsächlich gejagt oder gewildert hat. Beisst ein Hund ein Reh oder ein anderes Tier, müssen die betreffenden Hundehaltenden ausserdem für den durch ihren Hund verursachten Wildschaden aufkommen. Haben sie fahrlässig gehandelt – beispielsweise weil ein mehrfach auffälliger, notorisch jagender Hund in wildreichend Gebieten nicht an der Leine geführt wurde –, kommt zusätzlich eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tierquälerei in Betracht.
Wird ein Hund beim Jagen oder Wildern erwischt, sehen fast alle Kantone die Möglichkeit vor, dass dieser durch den Jagdvorsteher oder eine andere Person abgeschossen werden kann. So können etwa Hunde, die im Kanton Zürich wiederholt beim Wildern angetroffen werden, sofort durch Jagdpächter oder andere berechtigte Personen abgeschossen werden, sofern der Halter schriftlich ermahnt wurde. Solche oder ähnliche Bestimmungen existieren auch in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Freiburg, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Thurgau und Uri. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, Basel-Stadt, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Wallis, Waadt und Zug ist nicht einmal eine vorgängige Verwarnung der Halter notwendig. Immerhin ist in einigen dieser Kantone zunächst ein Einfangversuch vorgeschrieben.
Warum ist es problematisch, wenn mein Hund Wild jagt?
Viele Hundehaltende verstehen nicht, warum es problematisch ist, wenn ihre Hunde einem Reh oder anderem Wild nachstellen – schliesslich werden die Tiere oftmals nicht verletzt und werden viel mehr Rehe von Jägern geschossen als von Hunden gerissen. Dabei unterschätzen sie jedoch, was für einen enormen Stress die Hetzjagd durch einen Hund für die Wildtiere bedeutet. Gerade im Frühjahr sind die Tiere nach den langen, anstrengenden Wintermonaten geschwächt. Hinzu kommen in der Brut- und Setzzeit die Jungtiere, die eine leichte Beute für jagende Hunde darstellen. Auch wenn die Hunde nicht zubeissen, kann es zudem bei den gehetzten Tieren zu einem Herzstillstand oder einem Abort kommen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass die Wildtiere (und allenfalls auch der Hund) in einen Zaun oder auf die Strasse laufen oder dass Jungtiere von ihren Müttern getrennt werden. Wird tatsächlich ein Tier durch einen Hund gebissen, erleidet es in der Regel einen langsamen qualvollen Tod, weil unsere Haushunde nicht an die Gurgel gehen, sondern die Tiere meist nur verletzen. Ereignet sich ein Vorfall mit einem Wildtier, sind die betreffenden Hundehaltenden daher aus tierschutzrechtlicher Sicht verpflichtet, diesen den Jagdbehörden zu melden, damit das Tier gesucht und von seinen Leiden erlöst werden kann. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, macht sich unter Umständen wegen fahrlässiger Tierquälerei strafbar.
Grosse Bitte an alle Hundehaltenden
Die TIR appelliert an alle Hundehaltenden, sämtliche notwendigen Massnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass ihre Hunde Wildtiere jagen oder anderweitig stören – auch wenn keine kantonale Leinenpflicht besteht. Jeder Hund ist ein potenzieller Jäger – unabhängig von seiner Grösse und seinem Alter. Auch aus hundeerzieherischer Sicht ist es ratsam, das selbstbelohnende Jagdverhalten gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Überblick über die kantonalen Bestimmungen
Einen Überblick über die hunderelevanten Bestimmungen der verschiedenen Kantone finden Sie hier.