Obergericht Zürich verurteilt Taubenzüchter wegen Tierwürdemissachtung
Das Obergericht Zürich hat am Montag, 11. Dezember 2017 einen Taubenzüchter wegen mehrfacher vorsätzlicher Tierquälerei verurteilt. Dieser hatte im März 2016 eine sogenannte "Kamikaze-Taube" präpariert, in der Absicht, die Vergiftung eines Greifvogels herbeizuführen. Das Zürcher Obergericht bestätigte als zweite Instanz den Vorwurf der mehrfachen Tierquälerei sowie weiterer Delikte und verschärfte die Strafe gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil deutlich. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) begrüsst das deutliche Zeichen seitens der Rechtsprechung, entsprechende Praktiken auf keinen Fall zu dulden.
12.12.2017
Eine Untersuchung der Taube ergab, dass diese im Nackenbereich mit dem Giftstoff Carbofuran versehen wurde – ein Insektizid und hochtoxisches Nervengift. Ferner wies die Taube auch eine Markierung mit einem Farbspray auf. Das Tier verstarb beim Versuch, sie vom Gift zu reinigen. Der Beschuldigte wurde in Untersuchungshaft genommen.
Das Bezirksgericht Bülach verurteilte den Beschuldigten in erster Instanz im März 2017 wegen mehrfacher vorsätzlicher Tierquälerei, wegen mehrfachen Vergehens gegen das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel sowie wegen Verstosses gegen die Chemikalien- und Umweltschutzgesetzgebung zu einer bedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen à 30 Franken, das einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten gleichkommt sowie zu einer Busse in der Höhe von 1500 Franken. Dagegen erhoben der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft Berufung.
Der Angeklagte
beteuerte während der Gerichtsverhandlung vor dem Zürcher Obergericht
seine Unschuld. Gemäss seiner Darstellung habe es sich nicht um ein Tier
aus seinem Bestand, sondern um eine fremde Taube gehandelt. Er gab
Fehler bezüglich seines Verhaltens gegenüber dem Polizisten zu, die er
mit seiner Nervosität begründete, weil die Polizei bei ihm
"eingebrochen" sei. Überdies habe er Angst vor einer Kontaminierung der
eigenen Tauben gehabt. Ferner sei die Markierung der Federn durch einen
Farbspray bei einer Taube unter Taubenzüchtern die Regel, und der
Farbspray sei zudem frei erwerblich. Der Giftstoff Carbofuran sei bei
ihm nicht gefunden worden. Der Verteidiger plädierte auf
Freispruch des Beschuldigten und kritisierte unter anderem das vom
Gericht eingeholte Gutachten.
Die Staatsanwaltschaft hingegen trug verschiedene Beweise und Indizien,
die für die dem Täter zur Last gelegten Taten sprechen, vor. Auch das
Gericht liess in der mündlichen Urteilsbegründung keinen Zweifel offen, dass der Angeklagte schuldig zu sprechen sei.
Aus tierschutzrechtlicher Sicht wurde der Angeklagte aufgrund der versuchten vorsätzlichen qualvollen Tötung eines Greifvogels im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. b TSchG verurteilt. Im Weiteren machte er sich der vorsätzlichen unnötigen Überanstrengung der betroffenen Taube gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG strafbar, da die Taube durch das Aussperren aus dem Taubenschlag massiven Stress zu erleiden hatte – die Staatsanwältin sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem "Aussetzen" der Taube. Als bemerkenswert und vorbildlich erachtet die TIR die Verurteilung wegen vorsätzlicher Würdemissachtung der Taube nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG: Der Einsatz der Taube als Köder für Greifvögel stelle eine Degradierung dar, da die Taube wie eine empfindungs- und leblose Sache behandelt und somit der Eigenwert der Taube missachtet werde. Hierfür seien keine überwiegenden Interessen ersichtlich, die diese Würdeverletzung rechtfertigen würde.
Der Verurteilte steht mit seiner Straftat nicht allein da. Den ornithologischen Verbänden, der TIR und der Kantonspolizei Zürich liegen zahlreiche weitere Indizien für ähnliche Vorfälle – auch in anderen Kantonen – vor. Bereits 2013 haben die TIR und ihre Verbündeten zwei Strafanzeigen in den Kantonen St. Gallen und Zürich eingereicht (siehe Newsmeldung vom 3. September 2013). Es besteht der Verdacht, dass die im aktuellen Fall zur Anwendung gelangte Methode in Taubenzüchterkreisen verbreitet ist (siehe Newsmeldung vom 10. Februar 2015). Vorliegend handelt es sich um die zweite Verurteilung, im Juli 2016 wurde ein Taubenhalter wegen derselben Vorgehensweise verurteilt (siehe Newsmeldung vom 5. Juli 2016).