Appellate Body der WTO bestätigt Zulässigkeit des Vermarktungsverbots der EU für Robbenprodukte
In der Europäischen Union besteht seit 2010 ein Einfuhr- und Vermarktungsverbot für Robbenprodukte. Gegen diese Regelung hatten Kanada und Norwegen Beschwerde bei der World Trade Organisation (WTO) eingereicht, weil sie nach Meinung der beiden Staaten internationales Recht verletze. Die Klage wurde nun vom Appellate Body der WTO letztinstanzlich abgewiesen. Die TIR ist hocherfreut über das Urteil und erhofft von sich von diesem eine Signalwirkung auch für die Schweiz.
23.05.2014
Seit 2010 gilt in der EU für das gesamte Gemeinschaftsgebiet ein Einfuhr- und Vermarktungsverbot für Robbenprodukte. Ausgenommen von dieser Regelung ist unter anderem die Einfuhr von Erzeugnissen, die zum persönlichen Gebrauch von Reisenden eingeführt werden, und solchen, die aus traditioneller Jagd indigener Gemeinschaften stammen. Die Gründe des Verbots liegen insbesondere in den oftmals sehr brutalen Methoden, mit denen Robben zur Gewinnung entsprechender Produkte getötet werden.
Gegen das Einfuhr- und Vermarktungsverbot hatten Kanada und Norwegen Beschwerde bei der WTO erhoben, weil es ihrer Meinung nach gegen internationale Handelsbestimmungen verstösst. Nachdem bereits der Dispute Settlement Body der WTO die EU-Regelung in erster Instanz in den zentralen Punkten für zulässig erklärt hatte, hat der im Anschluss von Kanada und Norwegen angerufene Appellate Body diese Ansicht nun in zweiter und letzter Instanz bestätigt. In der Urteilsbegründung wird insbesondere auch klargestellt, dass Tierschutzanliegen zu den Belangen der der öffentlichen Sittlichkeit ("public morals") zählen und somit als Rechtfertigung für Massnahmen zur Beschränkung des internationalen Handels prinzipiell infrage kommen.
Die TIR hatte diese Auffassung schon 2009 in einem Rechtsgutachten zur
Vereinbarkeit eines Pelzimportverbots mit den internationalen
Verpflichtungen der Schweiz vertreten (siehe Newsmeldung vom 29.4.2009;
das Gutachten ist 2011 als Band 4 der TIR-Schriftenreihe "Schriften zum
Tier im Recht" erschienen) und ist erfreut darüber, dass ihre
Argumentation nun von den WTO-Gremien im Wesentlichen gestützt wird.
Sie ist überzeugt, dass das Urteil des Appellate Body einen wichtigen Meilensteig für den internationalen Tierschutz markiert, und hofft, dass es insbesondere auch den Gesetz- beziehungsweise den Verordnungsgeber der Schweiz veranlasst, die bisherige Zurückhaltung bei Handelsrestriktionen aus Tierschutzgründen abzulegen.
- Reports of the Appellate Body: European Communities – Measures prohibiting the importation and marketing of seal products
- Stohner Nils / Bolliger Gieri, GATT-rechtliche Zulässigkeit von Importverboten für Pelzprodukte, Schriften zum Tier im Recht, Band 4, Zürich/Basel/Genf 2011
- Stohner Nils / Bolliger Gieri, Zulässigkeit von Schweizer Einfuhrverboten für tierquälerisch hergestellte Produkte, enthalten in: Michel Margot/Kühne Daniela/Hänni Julia (Hrsg.), Animal Law – Tier und Recht, Developments and Perspectives in the 21st Century – Entwicklungen und Perspektiven im 21. Jahrhundert, Zürich/St. Gallen 2012, S. 205-237