Medienmitteilung: Ständerat setzt bei der Schlachtung von Tieren weiterhin auf Vertrauen statt auf Kontrolle der Tierschutzkonformität
Nachdem eine schweizweite Untersuchung der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette (BLK) gravierende Verstösse in Schlachtbetrieben festgestellt hatte, reichte Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) am 2. März 2020 eine Motion für die Einführung obligatorischer Videoüberwachungen in Schlachtbetrieben ein. Heute lehnte der Ständerat trotz offensichtlichen Handlungsbedarfs den Vorstoss ab.
03.06.2020
Gemäss aktueller Rechtslage werden Schlachtbetriebe von Amtspersonen vorwiegend hinsichtlich der hygienischen Vorschriften im Bereich der Lebensmittelsicherheit kontrolliert. Der tierschutzrelevante und hochsensible Tötungsvorgang liegt demgegenüber praktisch vollkommen in der Verantwortung der Schlachthofbetreiber. Diese sind zwar zur Dokumentation und Selbstkontrolle verpflichtet, eine unabhängige Überwachung findet jedoch nicht statt. Lediglich die Dokumentation wird amtlich stichprobenweise überprüft.
Bereits in der Vergangenheit brachten verdeckte Videoaufnahmen aus Schlachtbetrieben in verschiedenen Schweizer Kantonen wiederholt krasse Tierschutzverstösse ans Licht. Zu sehen waren etwa Misshandlungen in Form eines äusserst groben Umgangs mit Schafen, Schweinen, Kälbern und weiteren Tieren sowie qualvolle Tötungen durch nicht fachgemässe und dadurch unzureichende Betäubung der Tiere.
Im Hinblick auf das immense Leid, das mit einer ungenügenden Betäubung oder Entblutung für betroffene Tiere verbunden ist, hat Strafrechtsprofessor und Ständerat Daniel Jositsch im Rahmen einer Motion die Einführung einer Videoüberwachung im Betäubungs- und Entblutungsbereich von Schweizer Schlachtbetrieben gefordert.
Der offensichtliche und auch vom Bundesrat eingeräumte Handlungsbedarf bleibt damit bestehen. Die vorgeschlagenen Massnahmen – namentlich die verbesserte Schulung des Schlachtpersonals, die Anpassung einzelner Betäubungsmethoden und die Überarbeitung der Dokumentation für die Selbstkontrolle von Schlachtbetrieben – setzen weiterhin auf Vertrauen in eine eigenverantwortliche Einhaltung der Tierschutzvorschriften, und dies ausgerechnet in einem hochsensiblen und heiklen Tierschutzbereich.
Der Ständerat verkennt mit seinem Entscheid die Bedeutung des Tierschutzes als öffentliches Interesse. Die TIR bedauert die regelmässige Bagatellisierung von Tierschutzanliegen im Parlament, die für die schwache Umsetzung der Tierschutzvorschriften mitverantwortlich ist.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
lic. iur. Vanessa Gerritsen, stv. Geschäftsleiterin der TIR
(erreichbar unter 043 443 06 43 oder info@tierimrecht.org)