Im überhitzten Auto verendete Hunde – künftig (eventual-)vorsätzliche Tierquälerei!
Die Untersuchungs- und Gerichtspraxis bei Fällen, in denen Hunde in überhitzten Fahrzeugen qualvoll zu Tode kommen, ist unangemessen mild und muss dringend verschärft werden. Die Stiftung für das Tier im Recht plädiert dafür, entsprechende Fälle künftig nicht mehr als fahrlässige, sondern als eventualvorsätzliche Tierquälereien zu bestrafen.
07.07.2006
Schon wieder musste ein Hund qualvoll verenden, weil ihn seine verantwortungslosen Halter im Auto zurückliessen, dessen Innern durch den rasanten Temperaturanstieg innert Kürze völlig überhitzt war (siehe den Artikel "Armer Hund erstickte im Auto" im Blick vom 7. Juli 2006, Seite 8). Obschon Hundehalter – nicht zuletzt aufgrund verschiedener Aufklärungskampagnen in den Medien – mittlerweile wissen müssen, dass das Zurücklassen von Tieren in sonnenbeschienenen Autos sehr schnell zu lebensbedrohlichen Situationen führt, wiederholen sich diese Dramen im Sommer mit erschütternder Regelmässigkeit.
Die Justiz beurteilt derartige Fälle bislang mit unangemessener Milde. Aus den letzten zwanzig Jahren sind gesamtschweizerisch etwas über 100 entsprechende Verfahren bekannt (siehe dazu die Straffälledatenbank der Stiftung für das Tier im Recht unter www.tierschutz.org/tierstraffaelle). Meist kamen die Täter bislang – sofern sie überhaupt erwischt und verfolgt wurden - mit symbolischen Bussen von wenigen hundert Franken davon, was dem Leiden und qualvollen Todeskampf der Tiere in keiner Weise gerecht wird.
Zudem werden für die Handlung störenderweise ungleiche Gesetzesbestimmungen angewendet. So wird die Tat immer wieder lediglich als Widerhandlung gegen Tierhaltungsbestimmungen i.S.v. Art. 29 Ziff. 1 Abs. 1 lit. a des Tierschutzgesetzes (TSchG) betrachtet. Da Hunde in den entsprechenden Fällen aber nicht generell in Fahrzeugen "gehalten" werden, ist die Anwendung von Art. 29 TSchG hier nicht korrekt. Vielmehr handelt es sich um eine starke Vernachlässigung, also um eine klare Tierquälerei nach Art. 27 Abs. 1 lit. a TSchG. Entgegen der sowohl von Gerichten und Untersuchungsbehörden als auch von einigen Tierschutzorganisationen und in der Presse immer wieder geäusserten Meinung ist die Handlung aber nicht als fahrlässig, sondern als eventualvorsätzlich zu ahnden, wofür eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren und/oder eine Busse von bis zu 40'000 Franken vorgesehen sind.
Eventualvorsatz ist eine Form des Vorsatzes, bei dem der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs zwar nicht direkt angestrebt, jedoch für ernsthaft möglich gehalten und in Kauf genommen wird. Lässt jemand seinen Hund bei Aussentemperaturen ab 20 Grad Celsius ohne ausreichende Frischluftzufuhr in seinem Fahrzeug zurück, muss er in diesem Sinne damit rechnen, dass dem Tier dadurch Leiden zugeführt werden.
Eine eventualvorsätzliche Vernachlässigung i.S.v. Art. 27 Abs. 1 lit. a
TSchG stellt ein Vergehen dar, während die fahrlässig begangene Tat
lediglich eine Übertretung mit tieferem Strafrahmen darstellt. Wird eine
Handlung als Vergehen qualifiziert, kann die entscheidende Instanz
folglich eine erheblich höhere Strafe aussprechen als bei einer
Übertretung. Im Weiteren führen Vergehen im Gegensatz zu Übertretungen
generell zu einem Eintrag im automatisierten Strafregister des
Bundesamts für Justiz; Übertretungen hingegen lediglich dann, wenn sie
mit Haft (nicht aber nur mit einer Busse) geahndet wurden bzw. bei
Verurteilungen zu einer Busse von mehr als 500 Franken, falls bei einer
Wiederholung Busse ohne Mindesthöhe oder zusätzlich eine Haft- oder
Gefängnisstrafe ausgesprochen werden muss.
Die Stiftung für das
Tier im Recht fordert die Strafuntersuchungsbehörden und Gerichte dazu
auf, künftige Fälle einheitlich als (eventual-)vorsätzliche
Vernachlässigung, also als Vergehen, zu ahnden und den Strafrahmen von
drei Jahren Gefängnis bzw. CHF 40'000 Busse stärker auszuschöpfen.
Strafen von weniger als 1000 Franken sollten für derartige Fälle
definitiv der Vergangenheit angehören. Einzelne positive Beispiele in
Richtung einer entsprechenden Praxisverschärfung bestehen bereits.
Exemplarisch sei hier der Strafbefehl des Bezirksamts Muri vom 13.
Januar 2005 genannt (Fall "AG05/002" in der Datenbank), bei dem auf
Eventualvorsatz entschieden und – wenn auch in Zusammenhang mit
weiteren Delikten – eine bedingte Gefängnisstrafe von 14 Tagen sowie
eine zusätzliche Busse ausgesprochen wurde.