TIR fordert mehr Rücksicht bei Bauprojekten: Lebensgefahr für Tiere vermeiden
Unsere Häuser bieten zahlreichen einheimischen Tierarten Unterschlupf - häufig ohne unser Wissen. Kommt es zu Bauarbeiten oder Sanierungen, werden diese oftmals ohne Beachtung des Tier- und Artenschutzes geplant und durchgeführt. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) fordert deshalb mehr Rücksicht bei Bauprojekten und verweist auf die gesetzlichen Vorgaben.
7.8.2025
Verschiedene Vogel- und Fledermausarten errichten sich in unseren Gebäuden überlebenswichtige Quartiere. Hohlräume unter Dächern, Fassadenöffnungen, Mauervorsprünge, Kamine oder Rollladenkästen dienen den Tieren dabei als Brutplätze, Wochenstuben oder Rückzugsorte. Besonders auf solche Bauelemente angewiesen sind Mauer- und Alpensegler, Mehlschwalben, Hausrotschwänze oder Fledermäuse wie das Grosse Mausohr. Diese Arten kehren oft jahrelang an dieselben Standorte zurück. Werden diese Strukturen durch unsachgemässe Sanierungen oder den Abriss von Gebäuden zerstört, hat dies verheerende Folgen für ganze Kolonien.
Werden beispielsweise durch Bauarbeiten Einflugöffnungen verschlossen, führt dies nicht selten zum Verhungern von Jungtieren und zur dauerhaften Vertreibung ausgewachsener Tiere. Sanierungsarbeiten sollten daher nicht während der Anwesenheit der Tiere stattfinden. Sind Bauarbeiten in diesem Zeitraum unvermeidlich, müssen Zugänge bereits vor Ankunft der Tiere verschlossen und – wo immer möglich – Ersatzstandorte geschaffen werden.
Zu Recht ist der Schutz von Vögeln und Fledermäusen in der Schweiz umfassend geregelt – sowohl auf Bundesebene als auch kantonal –, denn die Zerstörung ihrer Quartiere kann teils gravierende Folgen für die betroffenen Tierarten haben. So macht sich gemäss Jagdgesetz ausdrücklich strafbar, wer das Brutgeschäft von Vögeln stört. Darüber hinaus verbietet die Natur- und Heimatschutzgesetzgebung das Töten, Verletzen oder Fangen von geschützten Tierarten, wozu sowohl Vögel als auch alle 30 in der Schweiz vorkommenden Fledermausarten gehören. Ebenso untersagt ist das Beschädigen, Zerstören oder Entfernen ihrer Eier, Nester und Brutstätten – zu denken ist etwa an Schwalbennester oder Fledermaus-Wochenstuben.
Die gesetzlichen Vorgaben gelten für sämtliche bei Bau- und Sanierungsvorhaben involvierten Akteure, das heisst sowohl für die Eigentümer und die Bauherrschaft als auch für das Baufachpersonal. Die entsprechende Kontrollpflicht obliegt den kommunalen oder kantonalen Aufsichts- und Bewilligungsbehörden. Dies erfordert eine vorausschauende Planung und allenfalls den Beizug von Fachpersonen, um potenzielle Quartiere der gebäudebewohnenden Tierarten ausfindig zu machen.
Die Sicherstellung oder Schaffung geeigneter Lebensräume wäre denn auch nicht schwierig. Nisthilfen wie Schwalbenbretter, Fledermaus- oder Mauerseglerkästen können in bestehende Strukturen integriert oder aussen angebracht werden – idealerweise kombiniert mit dem Erhalt bestehender Quartiere.
Ein weiteres Tierschutzproblem im Zusammenhang mit menschlichen Bauten ist die Gefahr des Kollidierens von Vögeln mit Glasfassaden. Die Tiere erkennen die transparenten oder spiegelnden Glasflächen häufig nicht als Hindernis, fliegen mit vollem Tempo dagegen und sterben an den Folgen des Aufpralls. Besonders gefährdet sind Zugvögel sowie die in Siedlungsnähe lebenden Arten. Mit Mustern auf dem Glas oder mit Objekten und Markierungen ausserhalb der Scheiben (z.B. Vogelschutzfolie) liesse sich das Kollisionsrisiko deutlich senken.
Nicht nur Häuser, sondern auch technische Infrastrukturen wie Fahrleitungsmasten von Eisenbahnen bergen tödliche Risiken. Betroffen sind insbesondere Vögel mit grosser Spannweite wie beispielsweise der Uhu, die die Masten als Sitzwarten nutzen und dabei leider oftmals in den Stromkreis geraten. Ein einziger Stromschlag kann für sie tödlich enden. Es wird angenommen, dass etwa jeder dritte Uhu auf diese Weise stirbt, was die Bestände enorm gefährdet. Auch andere grössere Arten wie der Rotmilan oder Weissstorch sind betroffen. Trotz bisheriger Sanierungserfolge gibt es schweizweit noch immer viele Fahrleitungsmasten, bei denen Handlungsbedarf besteht. Aus diesem Grund hat der Bundesrat am 25. Juni 2025 Anpassungen der Verordnung über elektrische Leitungen (Leitungsverordnung) gutgeheissen. Die mit der Revision vorgesehenen Sanierungsmassnahmen, die je nach Spannungsebene bis spätestens 2040 umgesetzt werden müssen, sollen neu proaktiv erfolgen und nicht erst nach tödlichen Stromschlägen von Vögeln.
Die TIR appelliert an alle Akteure – Eigentümerschaft, Bauherren, Architekturbüros, Handwerksbetriebe, Behörden –, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz dieser Tiere und ihrer Lebensräume einzuhalten. So bleibt auch in einer zunehmend verdichteten Umwelt Platz für Tiere.