TIR enttäuscht über Änderungen im Jagdgesetz und in der Jagdverordnung
Am 1. Februar 2025 hat der Bundesrat die revidierte Jagdgesetzgebung in Kraft gesetzt. Im Fokus der Änderungen steht die Regulierung geschützter Wildtierarten, die Organisation des Herdenschutzes sowie die Festlegung zumutbarer Präventionsmassnahmen zur Verhütung von Wildschäden durch Grossraubtiere und Biber. Nach Ansicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) bringt die aktuelle Gesetzgebung neben ein paar wenigen erfreulichen Änderungen vor allem eins: erhebliche Rückschritte für den Schutz von Wildtieren.
25.02.2025
Nachdem das Parlament im Dezember 2022 das Jagdgesetz in verschiedenen Bereichen revidiert und insbesondere den Schutz der Wölfe massiv gelockert hatte, setzte der Bundesrat die entsprechenden Bestimmungen bereits per 1. Dezember 2023 auf dem Verordnungsweg in Kraft. Da die Geltungsdauer dieser Normen bis zum 31. Januar 2025 befristet war, hat der Bundesrat die Jagdverordnung erneut überarbeitet. Die TIR äusserte sich im Rahmen des entsprechenden Vernehmlassungsverfahrens kritisch zur Revisionsvorlage (vgl. TIR-Newsmeldung vom 8. Juli 2024). Seit dem 1. Februar 2025 gelten nun das revidierte Jagdgesetz und die angepasste Jagdverordnung.
Nachdem der Bundesrat den Revisionsentwurf zur Jagdverordnung am 27. März 2024 in die Vernehmlassung geschickt hatte, gingen bei ihm insgesamt 245 Stellungnahmen ein, so auch jene der TIR. Der Revisionsentwurf enthielt einzelne seitens der TIR begrüssenswerte Modifikationen, die schliesslich Eingang in die neue Jagdverordnung gefunden haben. Besonders hervorzuheben ist dabei die Neuregelung, wonach Tierärztinnen und Tierärzte die Erstversorgung von pflegebedürftigen Wildtieren ohne kantonale Bewilligung durchführen dürfen. Positiv zu werten ist ferner die Einführung von Normen zur Stärkung von Wildtierkorridoren und die Förderung von Wildtier-Lebensräumen in eidgenössischen Jagdbanngebieten sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten. Ausserdem wurde der Vorschlag der TIR für ein Verbot von bleihaltiger Munition übernommen. Die weiteren Kritikpunkte fanden jedoch keine Berücksichtigung, weshalb am 1. Februar 2025 eine von der TIR grösstenteils abgelehnte Fassung der Jagdverordnung in Kraft trat.
Hauptkritik der TIR ist, dass die Verordnung einseitig auf regulierende Eingriffe gegen geschützte Tierarten fokussiert und weder dem Schutzauftrag des Jagdrechts gegenüber den Wildtieren noch den internationalen Verpflichtungen der Schweiz gerecht wird. Stattdessen sind die revidierten Bestimmungen auf die proaktive Regulierung des Wolfs gerichtet. So etwa wurde für das in fünf Regionen eingeteilte Gebiet der Schweiz ein Mindestbestand von lediglich zwölf Wolfsrudeln festgelegt. Das bedeutet, dass sobald der Mindestbestand überschritten wird, in der entsprechenden Region sämtliche Wölfe eines Rudels erlegt werden dürfen, sofern ein unerwünschtes Verhalten festgestellt wird. Diese Regelung ist nicht nur willkürlich und unverhältnismässig, sondern aus wissenschaftlicher Sicht schlicht nicht nachvollziehbar. Der wichtigen Rolle von Wölfen im Ökosystem wird weder im Verordnungstext noch im erläuternden Bericht angemessen Rechnung getragen. Die erneute Herabstufung seines Schutzstatus widerspricht den Grundsätzen des Jagdgesetzes und der Berner Konvention, die den Wolf weiterhin als geschützte Art definieren.
Enttäuscht ist die TIR auch über die revidierten Bestimmungen zum Herdenschutz vor Grossraubtieren. So bleibt das Ergreifen von jagdrechtlichen Herdenschutzmassnahmen weiterhin freiwillig, obwohl dies im Widerspruch zur tierschutzrechtlichen Verantwortung der Nutztierhaltenden für die in ihrer Obhut stehenden Tiere liegt.
Zusätzlich erlaubt die Verordnung erstmals den Abschuss von störenden Bibern – und das, obschon es sich gemäss Jagdgesetz eigentlich um eine geschützte Art handelt und für eine solche Regelung keine gesetzliche Grundlage besteht. Neu können die Kantone Abschussbewilligungen für einzelne Biber erteilen, wenn sie erhebliche Schäden anrichten oder Menschen gefährden. Die Jagdverordnung unterlässt es jedoch, eine klare Schadenschwelle zu definieren. Vielmehr kann unter gewissen Voraussetzungen bereits ein arttypisches Verhalten des Bibers, wie beispielsweise das Untergraben oder Aufstauen von Wasser, als erheblicher Schaden qualifiziert werden und zu Einzelabschüssen führen.
Die TIR bedauert zudem, dass es verpasst wurde, dem Tierschutzgesetz zuwiderlaufende Jagdmethoden ausdrücklich zu verbieten. Zu denken ist dabei namentlich an die Baujagd. Auch die Empfehlung der TIR in ihrer Stellungnahme, auf Bundesebene eine Beschränkung des Alkoholkonsums (Promillegrenze) im Rahmen der Jagdausübung einzuführen, fand keinen Eingang in die Jagdverordnung.
Der Umstand, dass in der aktuell geltenden Jagdgesetzgebung Wölfe, Steinböcke und Biber getötet werden dürfen, bevor sie überhaupt einen nachweisbaren Schaden oder eine konkrete Gefährdung für Nutztiere, die Umwelt oder den Menschen darstellen, widerspricht dem im Schweizer Recht geltenden Verhältnismässigkeitsprinzip (Wahl des mildesten Mittels) und missachtet den in der Bundesverfassung sowie in der Schweizer Tierschutzgesetzgebung verankerten Tierwürdeschutz.
Der Bundesrat hat es erneut versäumt, tragfähige und ausgewogene Lösungen für das Zusammenleben von Mensch und Wildtier zu schaffen. Stattdessen wird die Akzeptanz der Tiere und ihres natürlichen Verhaltens untergraben, indem sie gezielt getötet werden dürfen, sobald sie menschliche Interessen tangieren. Dabei wäre es die verfassungsrechtliche Aufgabe des Bundes, eine Koexistenz aktiv zu unterstützen. Durch Aufklärung und präventive Massnahmen könnten Konflikte von vornherein vermieden werden. Schliesslich verfolgt die Jagdgesetzgebung das Ziel, die Artenvielfalt und die natürlichen Lebensräume der Wildtiere zu erhalten – und dies schliesst ein faires, ausgewogenes und die Existenz der Tiere respektierendes Konfliktmanagement mit ein.