Ständerat sagt nein zum Importverbot von Pelzprodukten und Jagdtrophäen: Ein sehr trauriger Tag für TIR und den Tierschutz
Einmal mehr hat der Ständerat längst überfällige Verbesserungen des Schutzes von Tieren nach erfolgversprechendem politischem Prozess scheitern lassen. Erneut zeigt sich die Kleine Kammer desinteressiert, die Schwächsten der Gesellschaft zu schützen, während wirtschaftspolitische Ziele konsequent protegiert werden. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) zieht eine düstere Bilanz für den Tierschutz.
30.05.2022
Eine Mehrheit des Ständerats (22:17 bei zwei Enthaltungen) indessen erachtet ein Verbot für unangebracht und verweist stattdessen auf internationale Gremien, die wirksame Massnahmen zum Schutz gefährdeter Tierarten treffen könnten. Damit schiebt das "Stöckli" einmal mehr die Verantwortung ab und opfert bedenkenlos grundlegendste ethische Werte der schweizerischen Bundesverfassung. Sowohl die TIR als auch OceanCare, eine Organisation mit internationalem Horizont, die unter anderem die prekäre Lage des Eisbären beobachtet und in diversen Gremien wissenschaftlich beratend tätig ist, hatten die Mitglieder des Ständerats im Vorfeld der Abstimmung mit diversen Fachunterlagen bedient.
Auch beim zweiten Geschäft, dem Importverbot für Pelzwaren, die auf tierquälerische Weise erzeugt werden (Mo. 19.4425 von Matthias Aebischer, SP/BE), zieht der Ständerat fragwürdige Argumente heran und trägt damit dieses auch von der TIR seit vielen Jahren immer wieder aufs Parkett getragene Anliegen ein weiteres Mal zu Grabe (25:19 ohne Enthaltungen). Insbesondere der Verweis auf die Verbesserung der bestehenden Deklarationspflicht für Pelzprodukte ist für die TIR nicht nachvollziehbar. Mehrere Analysen des für die Kontrolle der Umsetzung zuständigen Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie Untersuchungen von Tierschutzorganisationen belegen, dass seit der Einführung der Deklarationspflicht im Jahre 2013 bezüglich der Herkunft der Felle eine intransparente Situation besteht. Der BLV-Ergebnisbericht für die Kontrollperiode 2020/2021 legt dar, dass von 141 untersuchten Unternehmen (auch Internetanbieter) 79 Prozent zu beanstanden waren. Das BLV schreibt auf seiner Website: "Die allgemein hohe Beanstandungsrate zeigt, dass die Pelzdeklaration in vielen Verkaufsstellen noch immer nicht korrekt umgesetzt wird und dass in der Branche weiterhin beträchtliche Wissenslücken vorhanden sind." Der Ständerat hält dennoch an der Deklarationspflicht fest und will in zwei Jahren schauen, ob Verbesserungen erreicht werden konnten – eine aus Sicht der TIR verfehlte Strategie.
Allein das dritte Tierschutzgeschäft wurde vom Ständerat positiv verabschiedet. Es handelt sich hierbei um das Verbot des betäubungslosen Schwanzcoupierens bei sehr jungen Lämmern (Mo. 21.3403 von Meret Schneider, GPS/ZH). Auf Basis der schon seit vielen Jahren wissenschaftlich widerlegten Annahme, dass Jungtiere zu Beginn ihres Lebens weniger schmerzempfindlich seien, war das Abtrennen des Schwanzes bei Lämmern bis zum Alter von sieben Tagen bislang ohne Betäubung erlaubt. Dieser Missstand konnte nun endlich behoben werden. Der Erfolg kann jedoch nicht als wirkliche Tierschutzleistung betrachtet werden, vielmehr bleibt auch künftig eine ganze Reihe von schmerzhaften Routineeingriffen gemäss Art. 15 TSchV ohne Betäubung erlaubt, was sowohl mit Blick auf die Würde der betroffenen Tiere als auch in Bezug auf ihr Wohlergehen höchst fragwürdig erscheint.
Der Ständerat hat in Sachen Jagdtrophäen und Pelz zweifellos einmal mehr am Volk vorbei entschieden. So zeigt etwa eine aktuelle Umfrage zu einem Importverbot für Jagdtrophäen, dass eine überwältigende Mehrheit von 96 Prozent von über 1000 Befragten in der Deutschschweiz und der Romandie ein solches befürworten. Auch der Nationalrat hatte mit sehr deutlichen Mehrheiten sowohl das Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte (144:31) als auch das Import- und Durchfuhrverbot für Jagdtrophäen, die von CITES-geschützten Tieren stammen (121:60) angenommen. Insbesondere bürgerliche Mitglieder des Ständerats haben diese bedeutenden Anliegen nun zu Fall gebracht und damit die Chance verpasst, eine zeitgemässe Regelung und einen gesamtgesellschaftlich verantwortungsvollen Entscheid zu treffen.
Die gebetsmühlenartig wiederholte Bezugnahme auf die angeblich strengste Tierschutzgesetzgebung der Welt ist geradezu grotesk, wenn dringend notwendige Anpassungen der Rechtslage systematisch verhindert werden. Fakt ist, dass die Vorschriften zum Schutze von Tieren sich weltweit laufend weiterentwickeln und zahlreiche andere Staaten die Schweizer Gesetzgebung in vielerlei Hinsicht längst überholt haben – die Schweiz jedoch bleibt weitgehend stehen, weil die Politik auf längst vergangenen Errungenschaften ausruht. Die TIR zieht daher sehr ernüchternde Bilanz und erachtet die heutigen Entscheidungen des Ständerats als rückständig.
Weitere Informationen
- Medienmitteilung der Bundesversammlung
Jagdtrophäen / Pelz / Schwanzcoupieren - Debatte zum Importverbot von Jagdtrophäen
Wortprotokoll / Abstimmungsprotokoll - Debatte zum Importverbot tierquälerisch erzeugter Pelzprodukte
Wortprotokoll / Abstimmungsprotokoll - Medienmitteilung Zürcher Tierschutz: Qualpelze: Ständerat politisiert am Volk vorbei