Stiftung für das Tier im Recht

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Interne Fallnummer: AG20/204
Entscheidform: Strafbefehl Kanton: Aargau
Entscheidende Instanz: Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten Datum: 17. Dezember 2020
Öff. Verfahrensnummer: STA4 ST.2020.2821
Instanzenweg:
Straftatbestand: Missachtung der Vorschriften über die Tierhaltung
Tierquälerei
- Vernachlässigung
Vorschriftswidriger gewerbsmässiger Handel
TIR-Fallgruppe: Allgemeines
- gewerbsmässige Tierbetreuung ohne Bewilligung
- Nichterbringen der Ausbildungsanforderungen
Heimtiere
- Hunde: Haltung in zu kleiner Box oder Zwinger
- Hunde: mangelhafte Beaufsichtigung/Gefährdung von Menschen oder Tieren
- Hunde: mangelhafte Haltung, Pflege oder Nährung
- Hunde: Misshandlung
- Hunde: Vernachlässigung
- Hunde: vorschriftswidrige Haltung in Boxen oder Zwingern
- Hunde: vorschriftswidriger gewerbsmässiger Handel
Strafbestimmung TSchG: 26 Abs. 1 lit. a
28 Abs. 1 lit. a
28 Abs. 1 lit. h
Strafbestimmung TSchG (alt):
Übertretung/Vergehen:
Übertretung
Vergehen
Reines Tierschutzdelikt: Nein
Tierart: Säugetiere
- Hund
Lebensbereich: Heimtiere
Sachverhalt: Der Veterinärdienst stellt am 31. Januar 2020 im Rahmen einer Kontrolle bei der Hundehaltung der Beschuldigten diverse Mängel fest. Es wird ein Welpe mit einer freilaufenden Mutterhündin festgestellt. Der Mutterhündin steht kein Rückzugsort vor dem Welpen zur Verfügung. Zwei Hunde werden in einer kleinen Transportbox vorgefunden. Ein sehr magerer Hund, den die Beschuldigte gemäss eigenen Aussagen erst seit zwei Wochen definitiv hält, wird in einer Transportbox vorgefunden. Der Gesundheitszustand dieses Hundes ist entsprechend ungenügend. In einer weiteren Transportbox wird ein weiterer Hund festgestellt - eine Haltebewilligung für diesen Hund hat die Beschuldigte nicht. Wiederum in einer Transportbox wird ein bellender und sich aggressiv verhaltender weiterer Hund vorgefunden. Die Transportboxen erfüllen die Mindestanforderungen jeweils nicht und sind nur zu Transportzwecken zulässig - es liegt demnach eine nicht tierschutzkonforme Boxenhaltung vor. Weiter ist die Hygiene mangelhaft. Der Boden ist mit Kot und Urin stark verschmutzt. Zudem steht den fünf Hunden in den Boxen kein Trinkwasser zur Verfügung. Weiter hat die Beschuldigte mehrfach mit Hunden gewerbsmässigen Handel betrieben, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Bewilligung zu sein. Der Veterinärdienst stellt bei der Beschuldigten diverse Kaufverträge fest - sie hat Tiere weiterverkauft oder weitergegeben. Dabei hat es sich jeweils um Tiere gehandelt, die sie selber im Besitz hatte und um solche, die sie von einem Verein mit Sitz in Deutschland übernommen hat. Für diesen Verein fungiert die Beschuldigte als Kontaktperson in der Schweiz und hat die Kaufverträge jeweils unterschrieben. Zudem bietet die Beschuldigte ohne Bewilligung, die sie für die gleichzeitige Betreuung von mehr als fünf Hunden haben müsste, einen gewerbsmässigen Tierbetreuungsdienst an. Zwei der vorgefundenen Hunde betreut sie montags bis freitags gegen Entgelt.

Im November 2020 lässt die Beschuldigte einen ihrer Hunde, der im Rahmen der Kontrolle im Januar 2020 durch Bellen und aggressives Verhalten aufgefallen ist, unangeleint auf einer Wiese mit einem von ihr betreuten Hund spielen. Anfangs trägt der Hund der Beschuldigten einen Maulkorb. Im Verlauf der Spielphase nimmt die Beschuldigte den Maulkorb jedoch ab. In der Folge beisst der Hund der Beschuldigten den von ihr betreuten Hund. Dieser wird so stark verletzt, dass er tierärztlich versorgt werden muss.
Vorsatz/Fahrlässigkeit
Vorsatz
Eventualvorsatz
Fahrlässigkeit
Verletzte Bestimmung: Tierschutzgesetz (TSchG): Tierschutzverordnung (TSchV):
Art. 13
Art. 3 lit. a
Art. 3 lit. b
Art. 4 Abs. 1
Art. 4 Abs. 2
Art. 6 Abs. 1
Art. 6 Abs. 2
Art. 6 Abs. 3
Art. 101 lit. b
Art. 102 Abs. 1
Art. 102 Abs. 2
Art. 103
Art. 104
Art. 105
Art. 106 Abs. 1
Art. 106 Abs. 2
Art. 106 Abs. 3
Art. 106 Abs. 4
Art. 10 Abs. 1
Art. 16 Abs. 1
Art. 191 Abs. 1
Art. 191 Abs. 2
Art. 191 Abs. 3
Art. 197
Art. 2 Abs. 3 lit. a
Art. 2 Abs. 3 lit. d
Art. 2 Abs. 3 lit. e
Art. 34 Abs. 1
Art. 3 Abs. 1
Art. 3 Abs. 3
Art. 4 Abs. 1
Art. 5 Abs. 1
Art. 5 Abs. 2
Art. 70 Abs. 5
Art. 72 Abs. 2
Art. 72 Abs. 4bis
Art. 72 Abs. 5
Art. 77
Art. 7 Abs. 1 lit. b
Art. 7 Abs. 2
Tierschutzgesetz (TSchG) alt Tierschutzverordnung (TSchV) alt
Richtlinien
Weitere Erlasse
Tierseuchengesetz (TSG, SR 916.40)
Tierseuchenverordnung (TSV, SR 916.401)
Strafe: Busse
Geldstrafe
- bedingt

Fr. 1000
Bei Nichtbezahlen der Verbindungsbusse tritt die Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Tagen in Kraft.

90 Tagessätze à Fr. 30
Probezeit: 2 Jahre
Massnahmen:
Grundbegriffe des Tierschutzrechts:
Täter:
Rechtfertigungsgründe:
Schuldausschlussgründe:
Strafzumessung: Mehrfachbegehung
Vorstrafen
Die Staatsanwaltschaft geht in vorliegendem Fall von einer Mehrfachbegehung aus. Es ist unklar, ob sich die Mehrfachbegehung auf das Strafmass auswirkte.

Die Beschuldigte ist vorbestraft (AG20/040). Der vorliegende Strafbefehl gilt als Zusatzstrafe zum vorhergehenden Strafbefehl.
Besonderheiten des Falles: weitere Delikte
Durch ihr weiteres Verhalten verstösst die Beschuldigte zudem gegen die Tierseuchengesetzgebung (Nichtmelden der Adress- und/oder Handänderung an den Betreiber der Tierdatenbank innerhalb von 10 Tagen), was sich ebenfalls auf die auszusprechende Strafe auswirkt.
Kommentar: Das Täterverhalten hätte nach Ansicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) auch noch unter Art. 26 Abs. 1 lit. a und allenfalls Abs. 2 TSchG subsumiert werden müssen, da ein Fall vorliegt, in dem ein Angriff eines Hundes auf einen anderen Hund stattfindet. Aus diesem Angriff resultiert eine Verletzung und somit eine fahrlässige (oder eventualvorsätzliche) Misshandlung i.S.v. Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 TSchG. Weiter hätte die Beschuldigte auch in Bezug auf den mageren Hund gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG für eine Misshandlung bestraft werden müssen. Die Beschuldigte wird vorliegend aufgrund von Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG lediglich mit einer Busse bestraft. Fahrlässig begangene Misshandlungen bzw. Tierquälereien (Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 TSchG) stellen seit dem 1. Januar 2013 ebenfalls ein Vergehen dar und sind mit einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bedroht.

Vorliegend hätte hinsichtlich der fehlenden Bewilligung und des fehlenden Ausbildungsnachweises für das gewerbsmässige Anbieten eines Tierbetreuungsdienstes nicht Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG, sondern Art. 28 Abs. 3 TSchG i.V.m. Art. 206a lit. g TSchV zur Anwendung gebracht werden müssen.