Rückblick Herbstsession 2024
In der vergangenen Herbstsession vom 9. bis 27. September wurden einige tierrelevante Vorstösse behandelt. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat die politischen Diskussionen auch dieses Mal gespannt mitverfolgt. Es ist grundsätzlich begrüssenswert, dass tierschutzrelevante Themen politisch diskutiert werden, weil damit das Tierwohl verbessert werden kann. Leider setzt sich jedoch noch immer nur eine Minderheit der Politiker für diese Angelegenheiten ein. Das Parlament hatte sich im Tierschutzbereich mit vielfältigen Themen zu beschäftigen: Diskutiert wurden die Anbindehaltung, Schlachtkapazitäten, Sozialkontakt von Eseln, Rodentizide, Schutz vor Grossraubtieren, Kunstfleisch und die CO2-Betäubung. Im Folgenden werden drei Geschäfte näher beleuchtet.
15.10.2024
Die Motion 24.3098 von Thomas Knutti (SVP) forderte, das Tierwohl in Anbindeställen, die in wesentlichen Punkten über die rechtlich verankerten Tierschutzvorgaben hinausgehen, über Anreizbeiträge zu fördern. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass Laufställe aufgrund topografischer, wirtschaftlicher oder ökologischer Gesichtspunkte nicht immer sinnvoll seien und daher nach wie vor Anbindeställe gebaut würden. Das Tierwohl solle in diesen Ställen gefördert werden, indem Tierhaltungen, die die Mindestvorschriften des Tierschutzgesetzes überschreiten, finanziell unterstützt werden.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, da Nutztierhaltungen, die über das tierschutzrechtliche Minimum hinausgehen, bereits mit den Programmen "Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS)" und "Regelmässiger Auslauf ins Freie (RAUS)" sowie mit dem Weidebeitrag finanziell gefördert würden. Zudem seien die Anbindeställe auch bei den Investitionshilfen nicht benachteiligt. Schliesslich würde ein neues Direktzahlungsprogramm das System zusätzlich verkomplizieren.
Der Nationalrat hat die Motion mit 97 zu 90 Stimmen mit einer Enthaltung abgelehnt. Die TIR ist froh über diese Ablehnung, denn es wäre zu befürchten gewesen, dass ein solches Anreizsystem Nutztierhaltende dazu ermuntert hätte, neue Anbindeställe zu bauen. Eine Zunahme von solchen Ställen wäre aus der Sicht des Tierschutzes fatal. Vielmehr gehören, neben anderen Faktoren, grosszügige Stallsysteme und ausreichend Weidegang zu einer artgemässen Tierhaltung, die gefördert werden soll. Ist eine solche aufgrund topografischer, wirtschaftlicher oder ökologischer Gründe nicht möglich, sollten dort konsequenterweise gar keine Tiere gehalten werden.
Motion "Förderung regionaler Schlachtkapazitäten zur Vermeidung langer Tiertransporte"
Die Motion 21.4133 von Anna Giacometti (FDP) möchte eine gesetzliche Grundlage schaffen, um dezentrale Schlachtkapazitäten zu fördern. Damit soll die Dauer von Tiertransporten zu den Schlachthöfen verringert werden. Tiere aus Berggebieten, insbesondere auch jene aus Tierwohlprogrammen, müssen heute in Zwischenstationen aufwändig zusammengeführt und danach über weite Wege bis ins Mittelland oder nach Basel befördert werden. Diese langen Transportwege bedeuten grossen Stress für die Tiere.
Gemäss Bundesrat sei eine gesetzliche Anpassung weder angezeigt noch notwendig, denn die Schweiz verfügte gemäss Tierverkehrsdatenbank im Jahr 2020 über mehr als 650 bewilligte Schlachtbetriebe, auch wenn deren Anzahl in den letzten Jahren rückläufig sei. Zudem sei das schweizerische Tierschutzrecht im Vergleich mit dem Ausland bezüglich der maximalen Transportdauer und der qualitativen Anforderungen streng. Auch sei es primär an den Produzenten sowie abnehmenden Betrieben, über den Schlachtungsort zu entscheiden. Zudem würden einzelne Kantone und private Organisationen bereits regionale Schlachthöfe fördern.
Während der Nationalrat die Motion noch angenommen hatte, wurde diese nun vom Ständerat mit 23 zu 16 Stimmen mit 6 Enthaltungen abgelehnt. Die TIR ist enttäuscht über die Ablehnung, denn Transporte sind in jedem Fall mit erheblichem Stress für die Tiere verbunden. Aus Tierschutzsicht sind Massnahmen, die zu einer Verkürzung von Transportzeiten führen, daher unbedingt notwendig. Diese dürfen nicht privaten Unternehmen bzw. dem freien Markt überlassen werden, denn der Tierschutz als Verfassungsauftrag ist eine Bundesaufgabe. Leider hat das Parlament vorliegend eine Chance verpasst, dringend notwendige Verbesserungen für Schlachttiere anzustreben.
Motion "Den Besonderheiten von Eseln, Maultieren und Mauleseln in der Tierschutzverordnung Rechnung tragen"
Anna
Giacometti (FDP) forderte in der Motion 22.3952 die gesetzlichen
Grundlagen in der Tierschutzverordnung so anzupassen, dass den
besonderen Eigenschaften von Eseln, Mauleseln und Maultieren Rechnung
getragen wird. Equiden sind soziale Tiere, die sich in ihrer Herde am
wohlsten fühlen. Ihre natürlichen Bedürfnisse werden demnach nicht
erfüllt, wenn sie allein gehalten werden. Gemäss aktuell gültigem
Tierschutzrecht muss deshalb zumindest Sicht-, Hör- und Geruchkontakt zu
einem anderen Pferd, Pony, Esel, Maultier oder Maulesel gegeben sein.
Der Esel gehört jedoch einer anderen Spezies an als das Pferd. Ein
Maultier ist die Kreuzung einer Pferdestute mit einem Eselhengst und ein
Maulesel ist das Resultat der Verpaarung zwischen einer Eselstute und
einem Pferdehengst. Es ist unbestritten, dass sich Esel und Pferde
sowohl optisch als auch in Physiologie und insbesondere im Verhalten
unterscheiden. Pferde können deshalb keinen adäquaten Sozialpartner für
Esel, Maultiere und Maulesel ersetzen und umgekehrt, worauf Artikel 59
der Tierschutzverordnung (TSchV) nicht eingeht und alle Equiden
grundsätzlich gleichstellt.
Die Motion wurde durch den
Nationalrat 2023 angenommen. In der aktuellen Session wurde verkündet,
dass die Präzisierungen des Vorstosses in die revidierte
Tierschutzverordnung aufgenommen werden und Esel, Maultiere und Maulesel
ab Inkrafttreten dieser (voraussichtlich im ersten Quartal 2025)
mindestens mit einem anderen Tier derselben Art gehalten werden müssen.
Die TIR hat bei der Vernehmlassung zur Änderung der Tierschutzverordnung
unter anderem auch einen adäquaten Sozialkontakt für Esel, Maulesel und
Maultiere gefordert, weshalb sie diese Entwicklung sehr begrüsst und
hofft, dass die Tierschutzgesetzgebung auch in anderen Bereichen (neuen)
wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden wird.
Fazit
Um den gesetzlichen Schutz der Tiere zu verbessern, ist es unerlässlich, dass tierliche Themen aufs politische Parkett gebracht werden. Daher ist es erfreulich, dass auch während der vergangenen Herbstsession über Tierschutzthemen diskutiert wurde. Leider ist es jedoch noch immer Fakt, dass sich nur wenige Parlamentarier für die Interessen der Tiere einsetzen, was dem immer höheren Status des Tieres und dem Bewusstsein für dessen Bedürfnisse in der Gesellschaft nicht gerecht wird. Um die Lobby für Tiere in der Politik zu stärken, ist es unabdingbar, dass Politikerinnen unterstützt werden, die Tiere als schützenswerte Mitglieder unserer Gesellschaft respektieren und sich auch im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit für sie einsetzen. Die Plattform Tier Politik Schweiz gibt einen Überblick, wie wohlwollend die einzelnen Personen im Parlament bei tierlichen Themen abstimmen. Zudem können die Parlamentarier über die Plattform direkt kontaktiert werden. Die TIR beobachtet die politische Landschaft weiterhin und stellt ihr Fachwissen interessierten Politikerinnen zur Verfügung, um einen Beitrag zum besseren rechtlichen Schutz der Tiere zu leisten.
Weitere tierrelevante Geschäfte
Nationalrat
- Berücksichtigung der Forderungen der Basis der praktizierenden Landwirtschaft in der Ausarbeitung der Agrarpolitik 2030
- Förderung des Tierwohls im Anbindestall
- Herstellung von Kunstfleisch verbieten
- Kultiviertes Fleisch. Innovation fördern statt überregulieren!
- Alternativen zur CO2-Betäubung. Auftrag des BLV umsetzen!
- Schutz vor Grossraubtieren