TIR begrüsst Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Qualzucht
Mit Urteil vom 23. September 2015 hat das deutsche Verwaltungsgericht Berlin die Zucht von Nacktkatzen ohne funktionsfähige Tasthaare als Qualzucht und damit als Verstoss gegen die Tierschutzgesetzgebung eingestuft. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) begrüsst diesen Entscheid und fordert auch in der Schweiz eine konsequente Durchsetzung des Qualzuchtsverbots.
28.09.2016
Gemäss dem deutschen Tierschutzgesetz ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn ihnen Körperteile für den artgemässen Gebrauch fehlen oder diese untauglich sind und hierdurch bei den Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen. Die zuständige Behörde kann in solchen Fällen das Unfruchtbarmachen anordnen, um eine weitere Zucht zu unterbinden. Nach den Ausführungen des vom Gericht bestellten Gutachters sind fehlende Tasthaare als Schaden und Leiden zu betrachten. Die von der Züchterin eingereichte Klage blieb infolgedessen erfolglos. Die Pressemitteilung Nr. 33/2015 zum Urteil der 24. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin finden Sie hier.
Seit 2008 verbietet auch das Schweizer Tierschutzrecht Qualzuchten ausdrücklich. Von Qual-, Extrem- oder Defektzuchten wird gesprochen, wenn erbliche Defekte, Krankheitsdispositionen oder Verhaltensstörungen genutzt oder in Kauf genommen werden, sodass bei den Nachkommen nicht nur extravagante Körpermerkmale, sondern vor allem auch Erbfehler auftreten. Erbfehler sind angezüchtete anatomische (das heisst veränderte Organe wie Skelett, Muskulatur, Sinnesorgane oder Nervensystem) oder verhaltensmässige Anomalien, die nicht nur zu Schmerzen, Leiden oder Schäden, sondern auch zu einer Verhinderung der physiologischen Vorgänge bzw. einer Beeinträchtigung oder gar einem Verunmöglichen einer artgerechten Lebensweise führen. Verstösse gegen dieses Verbot gelten im Sinne des Tierschutzgesetzes als Tierquälerei und können eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.
Die TIR setzt sich für eine konsequente Umsetzung des Qualzuchtverbots ein und hat aus diesem Grund im Jahr 2012 sieben exemplarische Strafanzeigen gegen fehlbare Züchter eingereicht. Diese richteten sich allesamt gegen die Zucht schwerst belasteter Heimtiere, die für rein ästhetische Interessen des Menschen lebenslang leiden müssen und in ihren natürlichen Verhaltensweisen massiv eingeschränkt sind. Im Einzelnen betrafen die Anzeigen die Zucht von Hunden (Labrador und Pekinese), Katzen (Sphinx, Devon Rex, Perser, Scottish Fold und Exotic Shorthair) und Tauben (Orientalische Mövchen).
Es bleibt abzuwarten, ob die Züchterin den Berliner Entscheid weiter ziehen und ob sich die höhere Instanz ebenfalls für eine verbotene Qualzucht aussprechen wird. Unabhängig davon darf das Urteil aber durchaus als richtungsweisend betrachtet werden und es ist zu hoffen, dass es auch hierzulande die Strafbehörden zu einer konsequenteren Handhabe von Defektzuchten bewegt. Bisher hat sich leider noch kein Schweizer Gericht für die Qualifizierung einer Nacktkatze als verbotene Extremzucht ausgesprochen.