Tierschutzstrafpraxis 2009: Immer noch schwerwiegende Mängel im Vollzug
Die von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) durchgeführte Auswertung der Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2009 zeigt dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Terrarientierhaltung. Gesamtschweizerisch konnte erneut eine Zunahme an verfolgten Tierschutzdelikten verzeichnet werden, die kantonalen Unterschiede sind jedoch nach wie vor beträchtlich.
09.12.2010
Geschätzte Hunderttausend Reptilien, Amphibien und Spinnentiere leben in Schweizer Haushalten. Über ihre Bedürfnisse ist wenig bekannt, was sie zu potentiellen Opfern schwerer Tierquälerei macht. Der gesetzlich verankerte Schutz wird oft auch ihren Beutetieren verwehrt, etwa bei der Missachtung des Lebendfütterungsverbots.
Mit 955 Fällen wurde 2009 ein absoluter Höchstwert an Tierschutzstraffällen verzeichnet. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Zunahme um 230 Fälle. Dennoch zeigen die beträchtlichen kantonalen Unterschiede, dass Tierschutzdelikte in etlichen Kantonen nach wie vor bagatellisiert werden. In einer rund 40seitigen Studie bringt die TIR viele brisante Fakten der Strafpraxis ans Licht und fordert in einem 12-Punkte-Katalog konkrete Massnahmen zur Verbesserung und Harmonisierung des Tierschutzvollzugs.
Wie in den vergangenen Jahren liegen die Kantone St. Gallen mit 244 Fällen, Bern (196 Fälle), Zürich (172 Fälle) und Aargau (83 Fälle) deutlich an der Spitze. Zu einem dramatischen Rückgang des Fallmaterials (von 38 auf 7 Fälle) kam es insbesondere im Kanton Luzern. Die starke Abnahme der Fallzahlen ist mitunter auch auf die Praxis des Luzerner Kantonstierarztes zurückzuführen, der Tierschutzstraffälle in einem Verwaltungsverfahren abzuschliessen pflegt, ohne sie einer Strafuntersuchung zuzuführen. Er missachtet damit nicht nur seine Amtspflicht, sondern verstösst überdies gegen das Tierschutzrecht und macht sich selbst strafbar.
Im Gegensatz zu 2008 gibt es 2009 auch wieder zwei sogenannte "Nullerkantone": Glarus und Uri haben dem BVET 2009 kein einziges Tierschutzstrafverfahren gemeldet. Der unbedarften Annahme, es gäbe in diesen beiden Kantonen keine Tierschutzverstösse, widersprechen die drei der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Tierschutzfälle im Kanton Glarus, die offenbar pflichtwidrig nicht strafrechtlich untersucht wurden.
Die 2009 für vorsätzliche Tierquälereien durchschnittlich verhängte
Geldstrafe stieg gesamtschweizerisch gegenüber dem Vorjahr von 35 auf 42
Tagessätze. Demgegenüber ist der durchschnittlich für übrige
Tierschutzdelikte ausgesprochene Bussenwert von 439 auf 411 Franken
gesunken. Angesichts des vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmens, der
eine angemessene Bestrafung der Täter durchaus zulassen würde, müssen
die tatsächlich ausgesprochenen Strafen für Tierschutzverstösse scharf
kritisiert werden, da sie dem oftmals immensen Tierleid kaum je gerecht
werden.
Insgesamt besteht – von einigen positiven kantonalen
Ausnahmen abgesehen – bei der Durchsetzung des Tierschutzstrafrechts
nach wie vor dringender Handlungsbedarf. Zur Verbesserung des
Vollzugsnotstands und zur Harmonisierung der Strafverfolgung im
Tierschutz hat die TIR einen zwölf Punkte umfassenden Forderungskatalog
aufgestellt. Gefordert wird unter anderem eine schweizweit konsequente
Verzeigung und Verfolgung von Tierschutzstraftaten: Sämtliche Verstösse
gegen das Tierschutzrecht sind Offizialdelikte und müssen darum von
Amtes wegen (und nicht lediglich nach behördlichem Ermessen) untersucht
werden.
Die gesamte, rund 7500 Tierschutzstraffälle umfassende,
Datenbank und die Analyse der Strafpraxis 2009 sind hier abrufbar.
Weitere Informationen
Medienecho TV & Radio
- Radio Energy vom 9. Dezember 2010: Michelle Richner zur Tierschutzstrafpraxis 2009
- Tele Top vom 9. Dezember 2010: Interview mit Michelle Richner zu den Tierschutzstraffällen 2009
- Radio Sunshine vom 9. Dezember 2010: Vanessa Gerritsen zur Tierschutzstrafpraxis 2009
Medienecho Printpresse
- Zentralschweiz am Sonntag vom 28. November 2010: Strafverfahren - Tierschützer melden Rekordstand
- Tages-Anzeiger vom 10. Dezember 2010: Im Tierschutz beginnt für den Kanton Zürich nun eine "Probezeit"
- NZZ vom 10. Dezember 2010: Anstieg der Tierschutz-Straffälle
- Der Landbote vom 10. Dezember 2010: Neues Regime unter Beobachtung
- Zentralschweiz am Sonntag vom 12. Dezember 2010: Strafanzeige gegen Kantonstierarzt
- Zentralschweiz am Sonntag vom 19. Dezember 2010: Zu Unrecht auf der Anklagebank
- Thurgauer Zeitung vom 21. Dezember 2010: Deutlich mehr Tierschutzdelikte registriert
- Tierwelt vom 31. Dezember 2010: Das stumme Leiden von Echsen und Schlangen
- Solothurner Zeitung vom 11. Januar 2011: Immer mehr Anzeigen gegen Tierquäler
Medienecho Onlinemedien
- 20 Minuten Online vom 12. Dezember 2010: Anzeige gegen Tierarzt
- BeobachterNatur vom 9. Dezember 2010: Tierquäler kommen oft ohne Busse weg
- bluewin.ch vom 9. Dezember 2010: Amphibien und Reptilien leiden unbemerkt
- Zürcher Oberländer vom 9. Dezember 2010: 2009 gab es fast 1000 Tierschutz-Straffälle
- 20 Minuten Online vom 9. Dezember 2010: So viele Tiere gequält wie noch nie
- Blick Online vom 9. Dezember 2010: Terrarienbewohner Opfer von Tierquälerei
- Fellbeisser.net vom 9. Dezember 2010: Schweiz: 2009 gab es fast 1000 Tierschutz-Straffälle
- Tierschutznews.ch vom 9. Dezember 2010: Tierquälerei im Terrarium ohne strafrechtliche Konsequenzen
- Annabelle-Blog vom 10. Dezember 2010: Wie geht es dem Tier im Recht? - die Bilanz 2009
- Luzerner Zeitung vom 27. November 2010: Tierschützer melden einen Rekordstand
- Identische Berichte in vielen Schweizer Onlineportalen
- NZZ.ch vom 16. Dezember 2010: Die Stimme der Tiere verstummt