Weiterer Rückschritt: Zürcher Kantonsrat will strafprozessuale Interessenvertretung für Tiere ganz abschaffen
Nachdem der Zürcher Kantonsrat am 10. Mai 2010 bereits völlig unbedacht das Amt des Tieranwalts abgeschafft hat, will er nun auch der Gesundheitsdirektion die Möglichkeit nehmen, die Interessen von Tieren strafprozessual zu vertreten. Ob sich ab 2011 im Kanton Zürich überhaupt noch jemand für die Verfolgung und Bestrafung von Tierquälern einsetzt, ist damit fraglich. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) zeigt sich über diese Entwicklung sehr beunruhigt.
06.07.2010
Obwohl das Kantonsparlament das Amt des Tieranwalts vor rund zwei Monaten faktisch bereits abgeschafft hat (TIR-Newsmeldung vom 30.6.2010), hat es am 5. Juli 2010 eine Parlamentarische Initiative vorläufig unterstützt, die dasselbe noch einmal forderte. Der Vorstoss von Claudio Zanetti (SVP) geht jedoch noch weiter und sieht darüber hinaus vor, dass § 17 des Zürcher Tierschutzgesetzes (TSchG/ZH), der die Parteirechte bei Tierschutz-Strafverfahren regelt, vollständig gestrichen werden soll. Damit hätte auch die Gesundheitsdirektion keine Möglichkeit mehr, die Parteirechte von Tieren wahrzunehmen.
Die TIR hat im Vorfeld der Abstimmung sämtliche Kantonsräte in einem Brief auf ihre Verantwortung für das Wohl der Tiere hingewiesen und aufgefordert, den Vorstoss abzulehnen (TIR-Schreiben vom 3.7.2010). Dennoch hat das Parlament der Initiative provisorisch Folge geleistet. Wer die Interessen von Tieren künftig vor Gericht vertreten soll, ist völlig unklar. Wird – wie von der Initiative Zanetti gefordert – der ganze § 17 TSchG/ZH gestrichen, hätte dies zur Folge, dass sich im Strafprozess überhaupt niemand mehr für die Tiere einsetzen würde. Der Vorstoss läuft somit auf die generelle Abschaffung des strafrechtlichen Tierschutzes vor Zürcher Gerichten hinaus.
Das Geschäft geht nun in eine kantonsrätliche Kommission, die einen Vorschlag zuhanden des Parlaments ausarbeiten muss, wie die Initiative Zanetti umgesetzt werden soll. Erst nach Vorliegen des Entwurfs wird der Kantonsrat definitiv über die Unterstützung der Parlamentarischen Initiative befinden.
Für den Tierschutz und vor allem für den Vollzug des
Tierschutzstrafrechts bleibt einzig zu hoffen, dass die Politik bis
dahin einen tierfreundlicheren Kurs einschlagen wird.
Um den Tieranwalt nicht ganz abschaffen zu müssen, könnte ihn die
Gesundheitsdirektion im Übrigen auch als Behördenmitglied bei sich
angliedern. Die TIR vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass der
Zürcher Tieranwalt ohnehin bereits seit jeher eine Behörde darstellt und
daher mit der eidgenössischen Strafprozessordnung auch als unabhängige
Institution durchaus vereinbar wäre.
- Interview mit Gieri Bolliger, Geschäftsleiter der TIR, Radio Top vom 5.7.2010
- Schweiz aktuell vom 5.7.2010
- Tele Suisse Romande vom 5.7.2010
- Tages-Anzeiger vom 3.7.2010: "Ein Rückschlag für den Tierschutz"
- Tele Top vom 5.7.2010 (ca. ab 3:15 Min.)