Tierquälerei an Fischen verharmlost – Luzerner Untersuchungsbehörde tritt nicht auf Anzeige ein
Das Amtsstatthalteramt Sursee hat eine Strafanzeige des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) gegen die Verantwortlichen der Fernseh-Sendung "SF bi de Lüt – Heimspiel" vom 29. August 2009 ohne Untersuchung abgewiesen und das absichtliche In-Angst-Versetzen der betroffenen Forellen durch ein Fangspiel als weder dargetan noch bewiesen erachtet. Die TIR bittet die Untersuchungsbehörde um Wiedererwägung.
24.11.2009
Im Sommer 2008 wurde im Rahmen der Sendung "SF bi de Lüt – Heimspiel" des Schweizer Fernsehens auf SF 1 ein Forellen-Fang-Spiel mit lebenden Tieren veranstaltet. Ein Berufsfischer und ein Mitspieler ohne Fischereikenntnisse traten gegeneinander an und bemühten sich, je drei in einem Becken gehaltene Forellen von Hand zu fangen und in einen Kescher zu setzen. Die gejagten Fische versuchten, mittels hektischer Bewegungen den zupackenden Händen zu entfliehen. Offensichtlich wurden sie dabei in Panik versetzt.
Auf eine Strafanzeige des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) gegen die Verantwortlichen wegen Tierquälerei wurde von der Zürcher Staatsanwaltschaft nicht eingetreten, mit der Begründung, die kurze Dauer des Fischfang-Spiels (jeweils 1-2 Minuten) reiche für den Tatbestand der Misshandlung durch In-Angst-Versetzen nicht aus. Gegen diesen Entscheid legte der Zürcher Tieranwalt nach Kenntnisnahme Rekurs ein, woraufhin das Obergericht die Staatsanwaltschaft anwies, das Verfahren an die zuständige Strafbehörde im Kanton Luzern zu überweisen. Das Fischfang-Spiel wurde in der Gemeinde Sempach (LU) durchgeführt.
Das Luzerner Amtsstatthalteramt Sursee leitete wie schon zuvor die Zürcher Behörde keine Untersuchung ein und wies die Anzeige ab. Es stellte fest, es liege in der Natur der Fische, sich jeglichem Zugriff durch Flucht zu entziehen. Ein rechtswidriges In-Angst-Versetzen sei weder dargetan noch bewiesen. Die Begründung des Amtsstatthalteramtes Sursee ist für die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) nicht stichhaltig. Jedes in Angst versetzte Tier flieht naturgemäss vor seinem Peiniger. Dieses Verhalten liegt auch in der Natur des Menschen. Allein diese Tatsache vermag nicht darüber zu entscheiden, ob die in Frage gestellte Handlung einer Tierquälerei entspricht.
Obschon Fische aufgrund ihres starren Äusseren keine Emotionen erkennen lassen, gelten Schmerzempfinden, Leidensfähigkeit und Stressreaktionen bei ihnen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen als erwiesen. Das ungerechtfertigte Zufügen von Leiden, das Misshandeln, das unnötige Überanstrengen und das In-Angst-Versetzen von Wirbeltieren sind tierschutzrechtlich verboten, wobei die Gesetzgebung keine Zeitvorgabe bezüglich der Länge des Angstzustandes kennt. 1-2 Minuten können subjektiv als sehr lang empfunden werden und gelten etwa im Rahmen der Schlachtung bei unkorrekter Betäubung als intolerabel.
Gemäss Auffassung der TIR wurden die Fische im vorliegenden Fall
mindestens während der Zeit der Fangversuche in schwere Angst versetzt.
Die Unmöglichkeit, sich den Händen der Verfolger durch tatsächliche
Flucht oder Verstecken zu entziehen, hat zu einer unnötigen und daher
ungerechtfertigten Misshandlung geführt.
Dies machen auch die
Regelungen der aktuellen Tierschutzverordnung deutlich, nach welcher das
blosse Fangen von Fischen in der Absicht, sie wieder frei zu lassen,
unabhängig von der angewendeten Methode verboten ist, und in dem auch
verlangt wird, den Umgang mit Fischen auf ein unerlässliches Mass zu
beschränken und die Tiere nicht unnötig zu belasten. Das Fangen von
Fischen mit blosser Hand entspricht im Übrigen auch nicht den von der
Luzerner Fischereiverordnung erlaubten Fangemethoden.
Interessant:
Parallel zur Strafanzeige wurde eine Beschwerde an die Unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) gerichtet. Die UBI
erklärte sich für zuständig, die Frage der Würdeverletzung der
betroffenen Fische zu beurteilen und bejahte eine solche aufgrund der
Tatsache, dass die Fische unnötigerweise in Angst versetzt wurden und
der Moderator dieses Vorgehen durch seine Bemerkungen verharmloste. Das
Spiel habe weder den Gepflogenheiten eines Berufsfischers noch den
Traditionen der Gemeinde Sempach entsprochen. Die Tiere hätten als
blosse Objekte ohne Eigenwert im Rahmen einer Unterhaltungssendung
gedient, womit die öffentliche Sittlichkeit verletzt sei.
Die
TIR begrüsst den Entscheid der UBI, die die Tierwürde rechtlich korrekt
anzuwenden wusste. Die unzulängliche Abweisung hinsichtlich Tierquälerei
des Amtsstatthalteramts Sursee hingegen bestätigt die Vermutung der
TIR, dass viele Untersuchungsbehörden die Anliegen des Tierschutzes noch
nicht ernst genug zu nehmen wissen. Diese Ansicht wird durch den
auswertenden Bericht zur Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2008 erhärtet.
Im
Sinne der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtssicherheit ersuchte die
TIR die Luzerner Untersuchungsbehörde in einem Brief um Wiedererwägung
des Entscheids.