Wann sind Hunde zu beaufsichtigen? Tierschutzrechtliche Hintergründe zur „Kassensturz“-Sendung vom 30.8.2005
Wann und wo Hunde besonders zu beaufsichtigen oder anzuleinen sind, ist im schweizerischen Recht nicht einheitlich geregelt. Zu unterscheiden sind ausdrückliche und indirekte Vorschriften
30.08.2005
a) Ausdrückliche Bestimmungen
Ausdrückliche Regeln finden sich auf eidgenössischer Ebene bloss wenige. Für Hunde gelten unter anderem folgende Vorschriften:
Hunde dürfen im tierseuchenpolizeilichen Sperrgebiet in Wäldern und Waldrändern nicht frei laufen gelassen werden. Wenn sie streunen, dürfen sie auch ausserhalb von Waldnähe getötet werden (Art. 147 Tierseuchenverordnung). Wer Hunde „wildern“ lässt, riskiert eine Haftstrafe oder eine Busse von bis zu CHF 20'000.- (Art. 18 Abs. 1 Jagdgesetz). Hunde dürfen nicht in Schlachtanlagen mitgeführt (Art. 22 Fleischhygieneverordnung), hingegen von erwachsenen Radfahrern mit der gebotenen Vorsicht an der Leine geführt werden (Art. 71 Verkehrsregelnverordnung). Wer ein Tier führt, muss es zudem nach Art. 52 der Verkehrsregelnverordnung „ständig in seiner Gewalt haben“.
Die kantonalen Unterschiede sind erheblich. Hundespezifische Bestimmungen finden sind in den kantonalen Gesetzen über das Halten von Hunden oder in Erlassen mit denselben Inhalten, aber leicht anderen Titeln. Sie sind auf der 2004 von der Stiftung für das Tier im Recht herausgegebenen TIER-CD-ROM im Kapitel „Rechtsgrundlagen – Kantonale Erlasse“ unter dem jeweiligen Kanton und dem Stichwort „Hunde“ übersichtlich aufgeführt.
Die Beaufsichtigungspflicht wird unter anderem im Kanton Zürich ziemlich ausführlich geregelt. Nach § 9 dürfen Hunde in Badeanstalten, auf Friedhöfen, Pausenplätzen von Schulanlagen und auf Spiel- und Sportfeldern weder mitgeführt noch frei laufen gelassen werden. Anzuleinen sind sie in öffentlich zugänglichen Lokalen wie Wirtschaften, Verkaufsläden, Parkanlagen und bei verkehrsreichen Strassen (§ 10). In Wäldern, an Waldrändern und über Nacht dürfen Hunde ausserdem nicht unbeaufsichtigt gelassen werden (§ 11).
Weitere kantonale Bestimmungen finden sich im Jagdrecht. So schreibt beispielsweise die Aargauer Jagdverordnung vor, dass Hunde im Wald grundsätzlich an der Leine zu führen sind (§ 6) und dass bestimmte wildernde Hunde im Wald oder mehr als 200 Meter von einem Haus entfernt im Feld „beseitigt“, d.h. getötet werden dürfen (§ 7).
Hauptsächlich im kantonalen, unter dem Aspekt des
sicherheitspolizeilichen Schutzes von Menschen vor Tieren allenfalls
aber auch im kommunalen Recht finden sich Regeln über sog. „gefährliche
Hunde“. Hunde irgendwelcher Rassen können nach einem oder zwei
Vorfällen, bei denen sie sich „auffällig“ benommen haben, als
„gefährlich“ eingestuft werden. Je nach jeweiligem Kantons- oder
Gemeinderecht dürfen entsprechende Hunde gar nicht mehr oder im Freien
nur noch angeleint oder mit Maulkorb gehalten werden (siehe etwa § 10
des kantonal-zürcherischen Hundehaltungsgesetzes). In einigen Kantonen
müssen zudem auch HalterInnen nicht bissiger Tiere bestimmter
Hunderassen damit rechnen, mit solchen Einschränkungen belegt zu werden.
Ebenfalls aus dem kommunalen Recht ergibt sich, wie frei sich Hunde bewegen dürfen.
b) Indirekte Bestimmungen
Die Haftung des Hundehalters
nach Art. 56 des Obligationenrechts ist in diesem Zusammenhang besonders
in Erinnerung zu rufen (auch:
http://www.tierimrecht.org/de/tierkeinesache/schweiz/haftung.php): Wer
seinen Hund nicht beaufsichtigt, haftet grundsätzlich für den durch das
Tier angerichteten Schaden (beispielsweise für einen Autounfall wegen
Auffahrtskollision) und muss sich dann vom Gericht vorwerfen lassen, die
Sorgfaltsanforderungen bei der Tierhaltung nicht erfüllt zu haben
(siehe dazu unter anderem Nicole Payllier: Der Tierhalter und dessen
besonderen Befreiungsmöglichkeiten (Art. 56 Abs. 1 OR); Diss., Zürich,
2003, S. 114 ff.). Solche Schäden, die mehrere hunderttausend Franken
kosten können, müssen nicht immer von der Haftpflichtversicherung des
Tierhalters getragen werden. Auch diese wird sich auf den Standpunkt
stellen, der Hundehalter hätte sich grobfährlässig und (etwa bei
verkehrsreichen Strassen nach § 10 Hundehaltungsgesetz/ZH) gar
widerrechtlich verhalten, weshalb die Leistungen allfällig gekürzt
werden und was zum wirtschaftlichen Ruin des Hundehalters führen kann.
- „Andere Rechte – Privatrecht – Weitere privatrechtliche Aspekte – Haftung“
- „Rechtsgrundlagen – Kantonale Erlasse – Aargau – Jagd“
- „Rechtsgrundlagen – Kantonale Erlasse – Zürich – Hunde“
Stiftung für das Tier im Recht
Dr. iur. Antoine F. Goetschel
18. August 2005
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