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Literature Detail

Title: Importrestriktionen aus Gründen des Tier- und Artenschutzes im Recht der WTO (Diss. iur.)
Author: Stohner Nils
contained in:
Category: Recht
- Schweiz
ISBN: 978-3-7272-0458-6
Place of publication: Bern
Year: 2006
Edition:
Pages: 260
Signature: Sto - Recht: Schweiz
Content: Tier- und Artenschutzbestrebungen in der Schweiz drohen aufgrund internationaler Handelsregelungen durch tiefere ausländische Schutzstandards unterlaufen zu werden. Die vorliegende Arbeit nimmt diese Problematik auf und befasst sich eingehend mit der Frage der Zulässigkeit von Importbeschränkungen aus tier- und artenschützerischen Motiven im Recht der Welthandelsorganisation WTO. Im Bereich des Artenschutzes wird vertiefter auf das Verhältnis des WTO-Rechts zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen, welches Einfuhrverbote zum Schutz bedrohter Tierarten ausdrücklich verlangt, eingegangen.

Unter tierschützerischen Gesichtspunkten werden die Implikationen des WTO-Rechts in Bezug gesetzt zum schweizerischen Verfassungsgrundsatz der Würde der Kreatur. Das Schwergewicht der Ausführungen liegt hierbei auf dem ethisch besonders umstrittenen Anwendungsfall des internationalen Pelzhandels, erfasst werden jedoch sämtliche für den Handel mit Tieren und tierischen Erzeugnissen wesentlichen Erscheinungsformen. Zur Sprache kommen schliesslich Alternativen zu Importverboten wie Label und Deklarationsvorschriften.

Klappentext
Review: Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz mit dem Ausland machen auch in tier- und artenschützerischen Bereichen eine staatenübergreifende Betrachtung unabdingbar. Nationale Bestrebungen drohen dabei durch tiefere ausländische Schutzstandards in internationalen Handelsregelungen unterwandert zu werden. Vor diesem Hintergrund befasst sich Nils Stohner in seiner von der Universität Bern abgenommenen juristischen Dissertation eingehend mit der Problematik der Zulässigkeit von tier- und artenschützerisch motivierten Importrestriktionen im Recht der Weltwirtschaftsorganisation WTO, deren Bestimmungen auch die Schweiz als Mitgliedstaat einzuhalten hat.

Bei der Frage, ob die Schweiz die Einfuhr von im Ausland in tierschutzwidriger Weise hergestellter Produkten verweigern kann, ohne dabei gegen internationale Verpflichtungen zu verstossen, legt der Autor den Fokus seiner Untersuchung auf den internationalen Pelzhandel. Das Beispiel ist gut gewählt, weil es unter ethischen Gesichtspunkten sehr kontrovers diskutiert wird und Berührungspunke sowohl zum Tier- als auch zum Artenschutz aufweist. Darüber hinaus ist es von grosser Aktualität, was die seit einigen Jahren wieder stark steigende Beliebtheit von Pelzprodukten eindrücklich belegt.

Den Mittelpunkt von Stohners Betrachtung bilden die Vorschriften der WTO und hierbei insbesondere das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT. Dieses sieht die grundsätzliche Beseitigung von mengenmässigen Beschränkungen wie namentlich von Importverboten vor (Art. XI). Art. XX GATT nennt jedoch verschiedene Fälle zum Schutz der staatlichen Souveränität zur Verfolgung übergeordneter politischer Ziele, womit sich Ausnahmen rechtfertigen lassen. Im Bereich des Tier- und Artenschutzes denkbar sind dabei Massnahmen, die dem Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, des Lebens und der Gesundheit von Tieren oder der Erhaltung erschöpflicher Naturschätze dienen.

In einem ersten Schritt untersucht Stohner das Verhältnis des WTO-Rechts zum Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES), das Handelsbeschränkungen zum Schutz bedrohter Tierarten nicht nur zulässt, sondern sogar explizit verlangt. Er zeigt auf, dass daneben aber auch einseitig erlassene artenschützerisch motivierte Importverbote für Pelzprodukte, die über den Anwendungsbereich des CITES hinausreichen, vor dem GATT standhalten, falls die Herstellung der Produkte im Einfuhrstaat verboten ist (wie beispielsweise in der Schweiz der Fang von Pelztieren mit tierquälerischen Tellereisen-Fallen).

Im Hauptteil der Abhandlung werden diese Erkenntnisse sodann auf den Bereich des Tierschutzes übertragen. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob Importbeschränkungen unter Bezugnahme auf die Wahrung grundlegender gesellschaftlicher Wertvorstellungen legitimiert werden können. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität gebietet eine Respektierung abweichender ausländischer Wertvorstellungen zwar auch im Tierschutzbereich. Überzeugend zeigt der Autor auf, dass die Wahrung eines Kerns grundlegendster innerstaatlicher Werte aber auch im internationalen Umfeld möglich sein muss. Zumindest in diesem begrenzten Umfang müssten einseitig erlassene Importverbote aus Tierschutzgründen legitimierbar sein. Der Schlüssel hierfür findet sich in Art. XX lit. a GATT, der Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit ausdrücklich erlaubt. Bei der Auslegung des Begriffs der "öffentlichen Sittlichkeit" untersucht Stohner insbesondere den in der Schweiz bereits seit 1992 auf Verfassungsebene verankerten Schutz der Würde der Kreatur (Art. 120 Abs. 2 BV), der durch klare Tierschutzwidrigkeiten unzweifelhaft tangiert wird. Der Autor kommt zum Schluss, dass sämtliche Verhaltensweisen, die den Kerngehalt der kreatürlichen Würde verletzen, zugleich auch gegen die öffentliche Sittlichkeit – und somit gegen unverzichtbare gesellschaftliche Grundwerte im Sinne von Art. XX lit. a GATT –verstossen. Vollständige Einfuhrverbote für Pelzprodukte aus Ländern, die Praktiken wie die konventionelle Robbenjagd, die Verwendung tierquälerischer Fallen oder tierquälerische Haltungssysteme auf Zuchtfarmen erlauben, sind demnach GATT-konform und zulässig. Dies zumindest, solange den vom Importverbot betroffenen Staaten die Rechtfertigung nicht gelingt, dass die Herstellungsweise der Produkte den Kerngehalt der kreatürlichen Würde wahrt – wobei dieser Nachweis wohl nur sehr schwer zu erbringen sein dürfte.

Aus seinen Ausführungen über die Verletzung des Kerngehalts der tierlichen Würde bei der Zucht und den meisten Formen der Jagd von Pelztieren zieht der Autor in der Folge allgemein gültige Erkenntnisse, die sich auf andere tierschutzrechtlich relevante Bereiche übertragen lassen. Er prüft dabei erfolgreich eine ganze Reihe von Beispielen auf denkbare Einfuhrverbote von Produkten, deren Herstellungsweise mit mehr oder weniger schweren Tierquälereien verbunden sind.

Im letzten Teil seiner Arbeit widmet Stohner möglichen Alternativen zu Einfuhrverboten im Bereich des Tierschutzes. Er schlägt vor, dass Produkte, deren Herstellungsbedingungen über die Mindestanforderungen der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung hinausgehen, zertifiziert und marktwirtschaftlich gefördert werden sollten. Bei Produkten, deren Herstellung zwar dem eidgenössischen Tierschutzstandard widerspricht, den Kerngehalt der kreatürlichen Würde jedoch nicht tangiert, spricht er sich für ein Deklarationssystem aus, das Konsumenten die Möglichkeit eröffnet, sich bewusst für oder gegen solche Produkte zu entscheiden.

Gesamthaft darf Stohners Arbeit getrost als ein herausragendes Werk der neusten Tierschutzrechtsliteratur bezeichnet werden, das die Lücke im Bereich rechtswissenschaftlicher Abhandlungen über das Spannungsfeld zwischen dem internationalen Handelsrecht und Tier- bzw. Artenschutzbelangen schliesst. Der Autor meistert die selbst auferlegte Herausforderung, "einen Kompromiss zwischen dem Postulat der Handelsliberalisierung und der Berücksichtigung nationaler Interessen insbesondere im Bereich des Tierschutzes" zu finden (S. 255), mit Bravour. Kompetent und überzeugend führt er durch die komplexe Materie. Seine Ausführungen sind von einer wohl tuend leichten Lesbarkeit, die angesichts der vielschichtigen Problematik nicht selbstverständlich ist, und dennoch juristisch bestechend. Exemplarisch sei hierfür etwa auf die umfassende Passage über den Kerngehalt der kreatürlichen Würde (S. 120ff.) verwiesen. Akribisch zeigt Stohner hier auf, wie tierquälerische Verhaltensweisen diesen Kerngehalt tangieren und daher gegen Art. XX lit. a GATT verstossen und Importverbote nach sich ziehen sollten. Die Arbeit besticht zudem durch ihre hohe Praxisrelevanz und die minutiöse Berücksichtigung der internationalen Handels- und Tierschutzrechtsliteratur und -rechtsprechung, was sich letztlich auch in einem beeindruckenden Fussnotenapparat niederschlägt. Zusammenfassend handelt es sich um ein sehr bemerkenswertes Werk, dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist und das den zuständigen politischen Instanzen den Weg weisen möge für eine in Zukunft weit mutigere Praxis bei Importbeschränkungen von tier- oder artenschutzwidrig hergestellten Produkten.

(GB)
Key words: Recht Schweiz WTO Tierschutzrecht Internationales Recht Pelztiere Würde der Kreatur Tierwürde Artenschutz CITES GATT Tierhandel Importverbot
Language: Deutsch / German
Medium: Buch
Publisher: Stämpfli Verlag AG
Status: Verfügbar