Stiftung für das Tier im Recht
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Criminal Case Detail
| Internal case number: LU22/139 | |||||||
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| Form of decision: | Urteil | Canton: | Luzern | ||||
| Decision-making authority: | Kantonsgericht | Date: | Nov. 18, 2022 | ||||
| Public procedure number: | 4M 22 23 | ||||||
| Stages of appeal: | Previous instance: Staatsanwaltschaft (Fall wurde der TIR nicht zugestellt), Bezirksgericht Willisau (2Q4 19 13; Fall wurde der TIR nicht zugestellt), Kantonsgericht (LU21/003), Bundesgericht (Urteil 6B_576/2021) | ||||||
| Elements of the offense: | Tierquälerei - Misshandlung |
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| TIR-Fallgruppe: | Sport- und Hobbytiere - Pferde/Ponys: Misshandlung - Pferde/Ponys: Verstösse im Pferdesport |
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| Penal provision AWA: | 26 Abs. 1 lit. a | ||||||
| Penal provision AWA (old): | |||||||
| Misdemeanor/Offense: | Misdemeanor |
Offense |
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| Pure animal protection offense: | Ja | ||||||
| Animal species: | Säugetiere - Pferd |
Sphere of life: | Sport- und Hobbytiere | ||||
| Facts of the case: | Der Beschuldigte betreibt eine Reitsportanlage, wo er unter anderem zwei Pferde regelmässig für Springturniere trainiert. Ihm wird vorgeworfen einem Pferde am 28. April 2016 und ca. eine Woche davor und einem anderen Pferd im Zeitraum April 2014 bis Oktober 2017 übermässige Peitschenhiebe mit einer Dressurpeitsche zugefügt zu haben. Die Pferde sollen dabei im Bereich der Kniefalten, der Sporenlage und des Unterbauchs blutende Verletzungen und geschwollene Stellen erlitten haben. | ||||||
| Intention/Negligence |
Intention
Recklessness (dolus eventualis)
Negligence
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| Infringed provision: | Animal Welfare Act (AWA): | Animal Welfare Ordinance (AWO): | |||||
| Animal Welfare Act (AWA) old | Animal Welfare Ordinance (AWO) old | ||||||
| Guidelines | |||||||
| Other enactments | |||||||
| Punishment: | Geldstrafe - bedingt 70 Tagessätze à Fr. 160 Probezeit: 2 Jahre |
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| Measures: | |||||||
| Basic terms of animal welfare law: | |||||||
| Offender: | |||||||
| Justifications: | |||||||
| Reasons for exclusion of responsibility: | |||||||
| Sentencing: | Besonderheiten Mehrfachbegehung Verschulden Vorstrafen Art. 26 Abs. 1 lit. a setzt den oberen ordentlichen Strafrahmen der Tierquälerei auf maximal drei Jahre Freiheitsstrafe fest. Da der Beschuldigte den Tatbestand mehrfach erfüllt, erweitert sich der oberer Strafrahmen auf eine Freiheitsstrafe bis 4.5 Jahre. Das Gericht erkennt zwar keine besonderen Umstände, die ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens gebieten würden, allerdings führe die Anwendung des Asperationsprinzips zu einer Strafschärfung innerhalb des ordentlichen Strafrahmens. Das objektive Verschulden des Beschuldigten wird durch das Gericht im mittleren Bereich eingeordnet. Am schwersten wiege der Vorfall vom 28. April 2016, bei dem der Beschuldigte dem Tier durch übermässigen Peitscheneinsatz Verletzungen in Form von Schwellungen, aufgeplatzter Haut und blutigen Wunden zufügte. Am Tag vorher, fuhr der Beschuldigte von Belgien in die Schweiz von einem abgesagten Turnier zurück. Das Gericht erkennt, dass es zwar notwendig sein mag, das Pferd am Ankunfstag zu bewegen. Allerdings sei aufgrund der Umstände damit zu rechnen, dass es mehr Fehler mache als üblich. Indem der Beschuldigte trotzdem in übermässiger Weise auf den Einsatz der Peitsche zurückgriff, handelte er nach Ansicht des Gerichts egoistisch und vernachlässigte das Wohl und die Würde des Tieres. Es sei unangebracht die Wut über allfällige Fehler des Tieres oder das eigene Unvermögen durch übermässigen Einsatz der Peitsche auszulassen. Als Einzelstrafe für den Vorfall am 28. April 2016 wird eine Einsatzstrafe von 60 Tagessätzen ausgefällt. Der Vorfall zuvor wird durch das Gericht ein wenig milder bewertet, da nicht erstellt sei, dass die Verletzungen des Pferdes ebenso stark ausfielen, was auf eine geringere Einwirkung des Beschuldigten schliessen liesse. Auch hier handelte der Beschuldigte gemäss Kantonsgericht egoistisch und vernachlässigte vorsätzlich das Wohl und die Würde des Tieres. Das Verschulden wird im unteren bis mittleren Bereich eingeordnet. Die Einsatzstrafe wird aspirierend um 30 Tagessätze erhöht, womit aufgrund des objektiven und subjektiven Tatverschuldens insgesamt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen ausgefällt wird. Der Beschuldigte ist bereits vorbestraft Fahren in fahrunfähigem Zustand; Fall nicht in der Datenbank enthalten). Dies wurde nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt, da es sich nicht um eine einschlägige Vorstrafe handelt. Die fehlende Reue und Einsicht im Verfahren und das Bagatellisieren des eigenen Verhaltens, wirkt sich nicht straferhöhend aus. Entgegen der Behauptung der Verteidigung stellt das Gericht keine Verletzung des Beschleunigungsverbots fest. Strafmildernd berücksichtigt wird, dass bereits fast zwei Drittel der Verjährungsfrist seit der Tat verstrichen ist (vgl. Art. 48 lit. e StGB). Da das Strafbedürfnis verringert sei, wird die Geldstrafe um 10 Tagessätze reduziert. Leicht strafmildernd berücksichtigt wird, dass in den Medien eine gewisse Vorverurteilung durch eine teilweise reisserische Berichterstattung stattgefunden habe. Die Strafreduktion wird auf 10 Tagessätze festgesetzt. Eine darüberhinausgehende Strafreduktion für für die mediale Berichterstattung für die Zeit nach dem Berufungsurteil sei nicht angezeigt. |
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| Specifics of the case: | |||||||
| Commentary: | Gegen das ursprüngliche Urteil des Kantonsgericht (vgl. LU21/003) hat der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erhoben. Mit Urteil vom 21. Februar 2022 (6B_576/2021) hiess das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gut. Das ursprüngliche Urteil des Kantonsgerichts (vgl. LU21/003) wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht zurückgewiesen. Die Rückweisung betrifft den zweitinstanzlichen Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG begangen im Herbst 2015. Nicht aufgehoben wurde der zweitinstanzliche Schuldspruch wegen mehrfacher vorsätzlicher Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG begangen am 28. April 2016 und eine Woche davor. Der Schuldspruch hat somit Bestand und ist ins neue Urteil zu übernehmen. Im vorliegenden Neubeurteilungsverfahren wurde somit nur über den Tatvorwurf der vorsätzlichen Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG begangen im Herbst 2015, sowie die Strafzumessung und die Kostenfolgen entschieden. Gemäss Bundesgericht entspricht der zweite Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 25. Juli 2019 bezüglich der angeklagten Tierquälerei begangen im Herbst 2015 nicht den Anforderungen an eine Anklageschrift. Die Anklageschrift hat möglichst kurz aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folge der Tatausführung zu bezeichnen (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO). Im Strafbefehl vom 29. Juli 2019 wird dem Beschuldigten unter anderem zum Vorwurf gemacht im Zeitraum von ca. April 2014 bis Oktober 2017 ein Pferd während mehrere Trainingseinheiten mindestens dreimal mit einer Peitsche heftig geschlagen zu haben, so dass es bei diesem zu Hautaufplatzungen und ödematösen Schwellungen im Bereich des Unterbauchs gekommen ist. Gemäss Bundesgericht ist die Anklageschrift somit in sachverhaltlicher und zeitlicher Hinsicht zu unbestimmt. Nur wenn genaue Untersuchungsergebnisse fehlen, dürfen diese approximativ umschrieben werden, dies sei vorliegend nicht der Fall. Vorliegend ergibt sich der Tathergang zwar aus den detaillierten Angaben eines Zeugen, diese fanden aber keinen Eingang in den Strafbefehl. Da es nicht genüge, dass sich der Sachverhalt aus den Akten ergibt, sei somit der Anklagegrundsatz verletzt (vgl. Urteil 6B_ 576/2021 E. 2.3). Eine Anklageänderung bzw. -ergänzung nach Rückweisung durch das Bundesgericht, ist nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung aufgrund der Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide nicht zulässig, denn dies ginge darüber hinaus was notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen. Nach Ansicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hätten die Vorinstanzen vorliegend die Möglichkeit wahrnehmen sollen, die Anklageschrift zur Abänderung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen (vgl. Art. 379 i.V.m. Art. 333 Abs. 1 StPO). Ausserdem hätte das Bundesgericht das Kantonsgericht im Rahmen der Rückweisung explizit dazu anfordern können, die Anklageschrift im Anschluss an den bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, somit wäre eine Rückweisung ohne Verletzung der Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide noch möglich gewesen. |
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