TIR erschüttert über Ausmass der Grausamkeit bei Tiertransporten
Ein Frachtschiff mit 19'000 Rindern an Bord sorgt aktuell für globale Aufmerksamkeit. Es steht symbolisch für das Versagen der menschlichen Gesellschaft im Umgang mit Tieren. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) setzt sich seit Jahren dafür ein, dass entsprechende Tiertransporte nicht mit öffentlichen Geldern subventioniert werden.
23.02.2024
Millionen Tiere werden jedes Jahr quer durch Europa und andere Kontinente transportiert. Dies aufgrund einer Subventionspolitik, die Anreize für den Lebendtransport schafft und damit völlig fehl am Platz ist. Heute werden einzelne Arbeitsschritte in der Nutztierindustrie grösstenteils getrennt, was bedeutet, dass Zucht, Haltung, Mast und Schlachtung an jeweils verschiedenen, teilweise weit voneinander entfernten Orten stattfinden.
In europäischen Ländern gelten zwar bestimmte Vorschriften zum Schutz von "Schlacht-" und "Masttieren" während des Transports. So ist etwa regelmässiges Tränken und Füttern geboten und den Tieren müssen Erholungspausen gewährt werden. Recherchen von Tierschutzorganisationen wie zum Beispiel Animals' Angels zeigen aber immer wieder auf, wie solche Vorschriften in vielen Fällen systematisch verletzt werden: Tiere leiden auf den langen Transportwegen an Verletzungen und Erschöpfung, Durst, Hitze- und/oder Kältestress aufgrund von Temperaturschwankungen auf ihren langen Reisen. Allein in der EU werden jeden Tag etwa 3.8 Millionen Tiere länger als acht Stunden transportiert. Zudem werden jedes Jahr Millionen Tiere interkontinental befördert, was bedeutet, dass sie nach bereits oft tagelangem Landtransport auf Schiffe umgeladen und weiterverfrachtet werden, zum Beispiel von der europäischen Aussengrenze nach Nordafrika oder in den mittleren Osten.
Oftmals überleben die Tiere die lange Reise aufgrund der Strapazen nicht. Nebst Verkehrsunfällen und gekenterten Schiffen sind auch Reiseverzögerungen mit verheerenden Folgen keine Seltenheit: So werden immer wieder Schiffe mit Tausenden von Tieren wegen Verdachts auf Tierseuchen von den Bestimmungsländern abgewiesen. Auch die fast eine Woche dauernde Suezkanal-Blockade durch ein gestrandetes Containerschiff im März 2021 sowie die coronabedingten Grenzschliessungen führten zu ungeplanten Verzögerungen. Nahrungs- und Wasserknappheit, fehlende medizinische Versorgung, unerträgliche Bedingungen auf dem Schiff, Verletzungen und totale Erschöpfung sind die unweigerliche Folge, der diese Tiere ausgeliefert sind. Verzögerungen kommen auch bei Landtransporten vor, so etwa im Januar 2024 bei einem Rindertransport, der drei Wochen lang in Marokko blockiert war, ohne dass die überforderten Tiere entladen wurden (Newsmeldung der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht vom 29. Januar 2024).
In der Theorie müssen die in der EU geltenden Tierschutznormen auch auf dem Weitertransport in Nicht-EU-Länder eingehalten werden. Weil eine Durchsetzung der Vorschriften aber selbst bei seriöser Kontrolle nicht gewährleistet werden kann, bleiben die entsprechenden Anforderungen spätestens dann toter Buchstabe, wenn die Tiere EU-Territorium verlassen haben.
Überdies ist der Umgang mit den Tieren am Ankunftsort, wie vielfach dokumentiert wurde, oftmals äusserst roh, bevor sie – in zahlreichen Zielländern ohne Betäubung – getötet bzw. geschächtet werden; eine Schlachtmethode, die in höchstem Masse als tierschutzwidrig zu bezeichnen ist.
Als besonders bedenklich ist der Umstand zu betrachten, dass das System Tiertransporte innerhalb der letzten Jahrzehnte gefestigt und sogar ausgebaut wurde, obschon der Stellenwert von Tieren in der Gesellschaft im gleichen Zeitraum deutlich zugenommen hat. Dennoch schafft es die Gesellschaft offensichtlich nicht, selbst grausamste Formen des Umgangs mit Tieren zu eliminieren. Dies gründet insbesondere im immensen Fleischhunger unserer Zivilisation.
Während die Politik es versäumt, Tiertransporten die Subventionen zu entziehen (geschweige denn, sie zu verbieten), profitiert die Wirtschaft weiter auf dem Buckel der Tiere. Die Konsumentenschaft empört sich zwar, wenn Bilder wie aktuell jene des Frachtschiffs "Al Kuwait" durch die Medien veröffentlicht werden – dennoch fehlt es an der Bereitschaft, die eigenen Nahrungsgewohnheiten zu überdenken. Obschon für das Töten von Tieren zur Nahrungsmittelgewinnung eine ethisch einwandfreie Grundlage fehlt, wird es im Zusammenhang mit der Gewinnung von Nahrungsmitteln gesellschaftlich nicht nur toleriert, sondern vom Konsumenten implizit sogar in Auftrag gegeben. Eine bewusst vegetarische oder vegane Ernährungsweise aufgrund ethischer, ökologischer, sozialer, religiöser oder gesundheitlicher Erwägungen stellt heute zwar keine seltene Erscheinung mehr dar. Noch immer überwiegt in unserer Gesellschaft aber ganz klar die Zahl jener Menschen, die nicht auf Fleisch verzichten wollen. Auch importiertes Fleisch von Tieren, die eine lange und leidensvolle Reise hinter sich haben, wird hierzulande bedenkenlos und in beträchtlichen Mengen konsumiert. Es gibt keinen Weg, das Wohlergehen der betroffenen Tiere auf diesen langen Transportwegen sicherzustellen. Die Nachfrage nach entsprechenden Produkten ist einer der Hauptgründe, aus dem das respektlose Tiertransportsystem trotz jahrelanger Kritik für die Profiteure nach wie vor attraktiv ist.
Weil Wirtschaft und Politik nicht an einem besseren Schutz der Tiere interessiert sind, appelliert die TIR an die Menschen: Bitte übernehmen Sie Verantwortung und zeigen Sie mit Ihrem Konsumverhalten, dass die Würde von Tieren nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltag ernst zu nehmen ist.