Schweizerinnen und Schweizer konsumieren über 1,5 Milliarden Eier– Tierwohl bleibt auf der Strecke
Gemäss den Erhebungen des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) wurden im letzten Jahr in der Schweiz 1,654 Milliarden Eier konsumiert. Mit Blick auf das Wohlergehen und die Würde von Tieren ist dies höchst problematisch: Nicht nur müssen die Hühner hierfür Höchstleistungen erbringen, sie werden auch nach kurzer Lebenszeit getötet. Auch das massenhafte Vergasen der männlichen Tiere aus Legehennenzucht ist weiterhin gängige Praxis.
05.04.2023
Letztes Jahr legten Schweizer Legehennen gemäss dem Marktbericht des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) zum dritten Mal in Folge über eine Milliarde Eier. Um den inländischen Bedarf zu decken, wurden zudem 519 Millionen Eier importiert. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Importe um 9.2 Prozent zurückgegangen. Ein Grund dafür ist die extreme Nachfrage nach Schaleneier während der Pandemiejahre 2020 und 2021, was zu einer Erhöhung der Importkontingente geführt hatte. Diese wurden nun aufgebraucht und die Importeier erfuhren eine Preiserhöhung, was deren Einfuhr wieder unattraktiver machte. Trotzdem war der Import im Jahr 2022 auf dem tiefsten Stand der letzten zehn Jahre. Die inländische Produktion deckte im letzten Jahr 69 Prozent des gesamten Schweizer Eierbedarfs. Hierbei ist ein Trend hin zu mehr Bio- und Freilandeier auszumachen. Der letztjährige Eierverbrauch lag bei durchschnittlich 186 Eiern pro Kopf, wobei ein Nachfragerückgang im Detailhandel zu verzeichnen war. Dies ist gemäss BLW vor allem auf die Rückkehr zum Konsumverhalten aus den Zeiten vor der Pandemie zurückzuführen. Trotzdem war der Pro Kopf-Konsum 2022 (nach den beiden Vorjahren mit gesteigerter Nachfrage) um zwei Eier höher als 2019. Der Eierkonsum ist auch im Langzeitvergleich steigend: Heute werden pro Kopf rund acht Eier mehr konsumiert als noch vor zehn Jahren.
Die weitverbreitete Ansicht, dass das Wohlergehen der Hühner hierzulande aufgrund der vergleichsweise strengen Schweizer Tierschutzgesetzgebung gesichert sei, entspricht nicht der Realität. In der industriellen Eierproduktion sind Legehennen nämlich auch in den meisten Freiland- und sogar in Biobetrieben nach 12 bis 16 Monaten aufgrund ihrer auf Hochleistung gezüchteten Legeaktivität ausgelaugt und krank. Zudem kommen sie zu diesem Zeitpunkt in die Mauser, während der die Legeleistung zurückgeht. Wirtschaftlich gesehen verlieren die Tiere in dieser Zeit stark an Rentabilität, weshalb sie entsorgt und durch Jungtiere ersetzt werden. Auch werden im Rahmen der Eierproduktion nach wie vor allein in der Schweiz jedes Jahr mehr als drei Millionen männliche Küken, Tendenz zunehmend, an ihrem ersten Lebenstag als "industrieller Abfall" vernichtet, weil sie keine Eier legen und für die Produzenten somit wertlos sind. Da die einseitig auf höchste Legeleistung gezüchteten Tiere nur wenig Fleisch ansetzen, sind sie auch für die Mast nicht interessant. Das Töten durch Schreddern (auch "Homogenisieren" genannt) wurde per 1. Januar 2020 in der Schweiz zwar verboten, weiterhin erlaubt bleibt hingegen das hinsichtlich seiner Tierschutzkonformität ebenfalls höchst umstrittene Vergasen der Tiere. Es handelt sich hierbei um die hierzulande am häufigsten angewandte Methode zum Töten von Küken. Eine Motion von Meret Schneider (GP/ZH) für ein Verbot der routinemässigen Tötung männlicher Küken wurde vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Dies mit der fraglichen Begründung, dass die Aufzucht der Bruderhähne als Mastpoulets nicht rentabel sei und die Brütereien bei einem entsprechenden Verbot des Kükentötens deshalb ins Ausland verlegt würden.
Dabei verweist der Bundesrat auf die alternativen Methoden zur Geschlechterbestimmung und Vernichtung der "männlichen" Eier vor dem Schlüpfen und erachtet es als sinnvoll, das heutige System der Tötung der lebenden Tiere beizubehalten, bis die neuen Methoden der Geschlechterbestimmung im Ei breit einsetzbar sind. Die Argumentation des Bundesrats ist aus Tierschutzsicht nicht haltbar, weil die den betroffenen Tieren zugefügten Belastungen durch die vorgebrachten rein ökonomischen Interessen bei weitem nicht gerechtfertigt werden können. Es handelt sich hierbei um eine systematische Missachtung der Tierwürde. Die Motion Schneider wurde aufgrund der ablehnenden Haltung des Bundesrats schliesslich zurückgezogen.
Auch den Tieren in der Geflügelfleischherstellung ergeht es nicht besser. Ein 2019 von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) veröffentlichtes Gutachten zeigt auf, dass Masthuhnhaltungen unter dem Tierwohlprogramm "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS)" in krasser Weise gegen die Grundsätze des Tierschutzgesetzes verstossen – und dennoch toleriert werden. In ihrem nur rund 35 Tage dauernden Leben erleiden die Tiere aufgrund der einseitigen Zuchtausprägung und der Haltungsbedingungen schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Atembeschwerden, Fussballenverätzungen und Beindeformationen. In Hallen mit bis zu 18'000 Tieren ist eine angemessene Betreuung des Einzeltieres nicht mehr möglich. Obschon Tierhaltende gesetzlich verpflichtet sind, für jedes einzelne Tier angemessen zu sorgen, geht das Individuum in solchen Haltungssystemen in der Masse unter. Etliche Tiere versterben im Laufe der Mast qualvoll zwischen ihren Artgenossen. Ihr Tod ist mit einer Mortalitätsrate von bis zu vier Prozent in diesem System einkalkuliert. Obwohl "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme" nicht einmal die grundlegendsten Bedürfnisse von Hühnern zu befriedigen vermögen, erhalten BTS-Betriebe staatliche Fördermittel für besondere Tierwohlleistungen. Hinzu kommt, dass der Begriff BTS bei der Vermarktung sogar zur Positivdeklaration entsprechender Produkte verwendet werden darf. Konsumentinnen und Konsumenten bezahlen im Glauben, besonders tierfreundlich hergestellte Fleischwaren zu erwerben, einen höheren Preis und werden so in die Irre geführt.
Der Konsum tierischer Produkte wie Fleisch, Eier, Milch und Honig ist zwangsläufig mit Kompromissen zulasten des Tierwohls verbunden. Wie weit diese gehen, bestimmt meist der Preis. Es ist an der Zeit, umzudenken und den viel gelobten Schweizer Mindeststandard deutlich anzuheben – er hält einer Prüfung der Achtung der Tierwürde nämlich in keiner Weise stand. Die TIR setzt sich für Verbesserungen des rechtlichen Schutzes von Tieren und für einen konsequenten Vollzug ein. Sie ist aber auch bestrebt, Konsumentinnen und Konsumenten über die Lebensbedingungen der Tiere aufzuklären und ihnen so eine fundierte Entscheidung in Bezug auf den Kauf tierischer Produkte zu ermöglichen.