TIR reicht Strafanzeigen gegen neun Schweinehalter ein
Verdeckte Aufnahmen aus Schweinehaltungsbetrieben, die der Tierrechtsorganisation Tier im Fokus zugespielt wurden, zeigen massive Rechtsverstösse. Dabei wird dokumentiert, dass sogar die Mindestvorschriften für die Haltung der Tiere nicht beachtet werden. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat darum in fünf Deutschschweizer Kantonen Strafanzeigen gegen mehrere Schweinehalter eingereicht.
02.06.2020
Die Schweinehaltung gehört in der Schweiz noch immer zu den unrühmlichen Tierschutzbereichen. Die Mindestbestimmungen, die für die Haltung der Tiere hierzulande gelten, garantieren diesen in keiner Weise ein tiergerechtes Leben. Verschiedene Missstände werden in diesem würdemissachtenden Tierhaltungssystem offenbar, so etwa die äusserst beengenden Platzverhältnisse, die Schweinen gemäss Tierschutzverordnung zugestanden werden, oder die fehlende Pflicht zur Gewährung von Auslauf oder Einstreu. Ferkeln werden die Zahnspitzen abgeschliffen, um schwere Verletzungen durch Aggressionen und Verhaltensstörungen zu vermeiden.
Bildmaterial aus Zucht- und Mastbetrieben, das von Organisationen wie Tier im Fokus oder dem Verein gegen Tierfabriken veröffentlicht wird, belegt seit Jahren regelmässig die mangelhafte Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung. Bereits 2014 hat Tier im Fokus im Rahmen des ersten Schweine-Reports auf diverse Probleme hingewiesen, die mit der (tierschutzkonformen) Schweinehaltung verbunden sind (siehe TIR-Newsmeldung vom 25.8.2014). Fünf Jahre später zeigen Videoaufnahmen aus den Kantonen St. Gallen, Solothurn, Bern, Luzern, Zürich, Schaffhausen und Aargau nun erneut bedenkliche Zustände in der Haltung und beim Umgang mit Schweinen.
Das neue Bildmaterial von Tier im Fokus wurde der TIR zur Beurteilung der Rechtskonformität vorgelegt. Gemäss der Bewertung der TIR halten neun der 13 dokumentierten Betriebe nicht einmal die Mindestbestimmungen der Tierschutzgesetzgebung für die Haltung von Schweinen ein. In diesen Fällen hat die TIR nun ausführliche Strafanzeigen eingereicht. Insbesondere die Pflicht zur Bereitstellung von geeignetem Beschäftigungsmaterial ist in sämtlichen beanstandeten Betrieben unzureichend umgesetzt. Apathie, Leerkauen, Stangenbeissen und weitere Verhaltensstörungen bis hin zu Kannibalismus sind die gravierenden Folgen von Beschäftigungsmangel.
Besorgniserregend ist auch der Umstand, dass die aus dem Jahr 2019 stammenden Aufnahmen in den Zeitraum fallen, in dem vertiefte Kontrollen im Bereich der Schweinehaltungen stattfanden. Im Rahmen von Schwerpunktprogrammen legt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in Absprache mit den Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzten periodisch ein Fokusthema fest, das durch die kantonalen Kontrollbehörden besonders detailliert geprüft werden soll. Für die Jahre 2017-2019 wurden fünf entsprechende Aspekte im Bereich der Schweinezucht und -mast definiert, darunter das Anbieten von Beschäftigungsmaterial. Dieser Punkt wird dem neuen Bildmaterial zufolge augenscheinlich systematisch vernachlässigt – und dies, obschon die Schweinhaltungsbetriebe rechtzeitig über die Kontrollschwerpunkte informiert worden waren.
Vor diesem Hintergrund werfen die tierschutzwidrigen Zustände auch Fragen zu den behördlichen Kontrollen auf. Die Erfahrungen der TIR und anderer Organisationen zeigen, dass bei der Umsetzung von Tierhaltungsvorschriften bedauerlicherweise oftmals nicht darauf geachtet wird, ob der mit der Norm beabsichtigte Zweck tatsächlich erfüllt wird. So beispielsweise scheint häufig nicht ausschlaggebend zu sein, ob das angebotene Beschäftigungsmaterial in ausreichender Menge und Form vorhanden ist, damit sich die Schweine wirklich den gesamten Tag damit auseinandersetzen können. Auf diese Weise verkommen die an sich sinnvollen Tierschutzbestimmungen zu Alibiübungen.
Die nun erhobenen Strafanzeigen veranschaulichen die Problematik der mangelhaften Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung im Bereich der Schweinehaltung exemplarisch. Die TIR hofft, dass die zuständigen Staatsanwaltschaften den Rechtsnormen nun durch eine konsequente Umsetzung in Form von strafrechtlichen Sanktionen Nachdruck verleihen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die geltenden Tierschutzvorschriften angewendet werden und der nach wie vor verbreiteten Bagatellisierung von Tierschutzdelikten endlich ein Riegel vorgeschoben wird.